Monat: Oktober 2008

  • Ausgewanderte Wörter

    Ausgewanderte Wörter

    Petros Markaris lässt in seinen Krimis den Athener Kommissar Kostas Charitos der Leidenschaft des Lexikonlesens frönen, was diesen ein bisschen zu einer schrulligen Figur werden lässt. Ich komme wir auch schon ganz eigen vor, dass ich nach dem „Lexikon der ausgestorbenen Wörter“ und dem „Lexikon des Unwissens“ schon wieder etwas Ähnliches als Freizeit-Lektüre vorschlage, aber die Fenster der freien Zeit sind inzwischen so kurz geworden, dass sich Bücher mit Lexikon-Charakter bestens bis ausschließlich zum Füllen eignen. Diesmal haben die Gesellschaft für deutsche Sprache, die Goethe-Institute und der Deutsche Sprachrat „Ausgewanderte Wörter“ gesucht und Jutta Limbach hat für die Rückmeldungen, die in einem schmalen Bändchen versammelt wurden, als Herausgeberin fungiert. ‚Kindergarten‘, ‚Rucksack‘ und ‚Waldsterben‘ mögen einigen vielleicht recht schnell selber einfallen, aber viele andere ‚ausgewanderte Wörter‘ haben interessante Reisen mit interessanten Wendungen hinter sich. Hier meine Favoriten: „nusu kaput“ ist Kiswahili, heißt übersetzt ‚halb kaputt‘ und bedeutet Narkose. „vigec“ nennen Ungarn einen Vertreter, weil diese in der K.u.K.-Zeit an der Türe mit „Wie geht’s?“ ihr Verkaufsgespräch eröffneten. Und das „kanitzeen Boot“ ist in Afrikaans, das Boot, das man nicht sehen kann, weil es ein Unterseeboot ist. Außerdem kann man bei der Lektüre lernen, dass das russische „Butterbrot“ mit allem belegt und beschmiert sein kann, aber nie mit Butter. Warum die ausgewählten Einreichungen unkorrigiert und teilweise nicht übersetzt abgedruckt wurden, erschließt sich mir nicht, stört aber die Lektüre auch nicht sonderlich.

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    Der Beitrag ist zuerst erschienen unter http://www.vatertage.net/was-es-sonst-noch-gibt-3-ausgewanderte-woerter/

  • Undogmatische Erziehungsbibel

    Undogmatische Erziehungsbibel

    Es muss der Traum eines jeden Journalisten sein, die eigene Artikel-Serie eines Tages versammelt in einem Buch abgedruckt zu sehen. Nach einem kleinen Ausflug in die Blog-Welt, war es bei „Die lieben Kleinen“ von Sigrid Tinz in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) war es eigentlich nur eine Frage der Zeit. Wer einzelne Beiträge verschiedentlich herausgerissen und an verschiedenen Stellen gesammelt hatte, fand ein Buch da sicher schon kompakter und handlicher und lesefreundlicher.

    Was mir besonders an den Beiträgen gefiel, ist, dass Tinz verschiedene Aspekte und Positionen unkommentiert zu Wort kommen lässt und es somit dem Leser überlässt, wofür er sich entscheiden will. So kann ein Ratgeber ganz ohne erhobenen Zeigefinger auskommen und der zentrale Ratschlag lautet: Du kannst nichts falsch machen, so lange Du Dich informierst und Dir Deine eigene Meinung bildest. Antiautoritär bedeutet eben nicht ‚laissez faire‘.

    Wenn Eltern und Kind sich wohlfühlen, ist schon alles richtig. Diese Erkenntnis beruhigt, wenn man sich fragt, warum die wo anders empfohlene Einschlafhilfe nicht funktioniert und das Kind noch nicht robbt, wenn andere schon krabbeln.

    Die Sprache ist schnörkellos pragmatisch und gut verstehen und die 15 Themengebiete ausreichend beleuchtet. Mangelnde systematische Gliederung und ein fehlenden Stichwort-Register liegen in der Natur der Sache: Es keine Nachschlagewerk verlegt, sondern Zeitungsartikel gesammelt. Dennoch erlaube ich mir ein überschwängliches Fazit : Jede Zeit hat ihr „Erziehungs-Bibel“ – und die Tipps von Tinz haben das Zeug dazu, die unserer Zeit zu werden. Oder wie es hinten auf dem Buchumschlag heißt: „Der moderne Erziehungsberater für eine neue Elterngeneration“ – so kann es auch sagen.

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    Der Beitrag ist zuerst erschienen unter http://www.vatertage.net/papier-ist-geduldig-4-undogmatische-erziehungs-bibel/