Kategorie: Unterwegs

  • Es geht APP im Dorf

    Es geht APP im Dorf

    (K)Ein Dorf wie jedes andere: Mit dem Audioguide durchs südniedersächsische Hinterland

    Bühren im Schedetal – zwischen Hann. Münden und Göttingen gelegen, wenn man von der Straße nach Dransfeld abbiegt und durch die Landschaft gurkt – unterscheidet sich nicht sonderlich von vielen kleinen Dörfern in Südniedersachen. Es gibt eine Kirche, einen Friedhof, viel Fachwerk und etwas Landwirtschaft. Insgesamt wohnen dort gut 500 Menschen. Es sieht aus wie alle Dörfer in dieser Gegend. Und dennoch gibt es einen guten Grund, gezielt nach Bühren zu fahren: Einen interaktiv gestalteten Kulturpfad mit Audioguide und eigener App. Das hat nicht jedes Dorf!

    Dazu muss man wissen, dass es den Kulturpfad als Rundwanderweg bereits seit Anfang der 2000er Jahre gibt – die App kam erst später dazu. Die knapp drei Kilometer lange Tour ist auch in allen üblichen Wander- und Outdoor-Apps verfügbar, über verschiedene Tourismusseiten der Region verlinkt, aber den ⏩ Download-Link für die App (nur für Android) gibt nur es auf der Homepage des Dorfes.

    Dorf-Tour in der Wander-App und Dorf-App mit Audio-Guide

    Es gibt auch eine ⏩ kleine Broschüre, die man dort ebenfalls digital herunterladen oder aus dem kleinen Holzkasten an der zentralen Bushaltestelle in der Dorfmitte auch gedruckt mitnehmen kann.

    Die ersten drei Stationen haben wir erstmal prompt überlaufen – vermutlich waren wir nur etwas zu enthusiastisch losgestiefelt. Die Kartenansicht in der App hat nicht funktioniert bei uns – aber wir haben uns von einer Wanderapp mit einer absolut gelangweilten, monotonen Frauenstimme durch die Ortschaft navigieren lassen. Der Weg ist eigentlich ausreichend gut mit einem „K“ gekennzeichnet und an jeder Station steht eine Info-Tafel mit Text und Bild.

    Vom Versammlungsplatz in der Dorfmitte (dem „Tie“) geht es am ältesten Haus vorbei, runter ins Bachtal, wo mal eine handvoll Mühlen am Wasserlauf standen. Maschinenbaumeister Manfred Fischer hat in zirka 1300 Arbeitsstunden eine Wasserradanlage aus Eigeninitiative und mit eigenen Mitteln neben seinem Haus erbaut, die Mühlentradition – es gab wohl derer Fünfe – im Dorf veranschaulichen soll.

    Stationen der Runde

    Hinter dem Dorf hat es tatsächlich noch eine Besonderheit – in diesem Falle eine Geologische: Am Dorfrand erhebt sich eine 10 Meter hohe Basaltwand. Der Rohstoff wurde bis Ende der 1960er Jahre auch im großen Maßstab dort abgebaut, rund 1.200 Tonnen täglich, die von zirka 40 LKWs pro Tag abtransportiert wurden. Hier wurde mir auch zum ersten Mal deutlich, was mich ein bisschen an den Audio-Beiträgen störte: Ganz ohne (Hintergrund-) Geräusche wirken die Aufnahmen sehr „steril“. Gerade der Steinbruch mit seiner Lärmkulisse hätte die Hörszenerie lebendiger wirken lassen.

    Bührener Basaltwand

    Den Abschluss der Runde bildet ein kleiner, künstlich aufgeschütteter Hügel, auf dem zehn Mord- oder Sühnesteine stehen. Diese Sammlung resultiert nicht aus der besonderen Mordlust der Dorfbewohnerinnen und -Bewohner, sondern sie versammelt alle Gedenksteine, auf dem ⏩ Harster Heerweg – einer alten Nord-Süd-Handelsroute – zu Tode gekommenen Personen. In dieser Art auch einmalig in Niedersachsen.

    Südniedersachsen ist nicht der aufregendste Ort der Welt – und ich als gebürtiger Südniedersachse darf das sagen – und dort sieht es in Varlosen, Dankelshausen und Ellershausen nicht viel anders als in Bühren aus, aber die App lockt einem beim Besuch der Region dann doch nach Bühren und eben nicht nach Varlosen, Dankels- oder Ellershausen. So gesehen haben sich die Bührener ein Alleinstellungsmerkmal programmiert.

    Sammlung der Sühnesteine

    Hier kann man die Beiträge auch ohne App reinhören:

    in Hochdeutsch

    in Platt

  • Vage Erinnerungen: Das Sopron-Project (Teil 1)

    Vage Erinnerungen: Das Sopron-Project (Teil 1)

    Erinnerungen sind mitunter trügerisch: Das, woran man glaubt, sich erinnern zu können, wird überlagert durch Gefühle, Empfindungen, Bewertungen und das, was andere darüber berichten – eingefärbt mit ihren Gefühlen, Empfindungen und Bewertungen. Kann man sich wirklich daran erinnern, wie der Polyacryl-Pulli immer so kratzte? War die Mauer hinter Omas Haus wirklich so hoch? Hatte man damals wirklich alle Schlümpfe im Setzkasten? Und waren es die beiden Nachbarskinder, die einem das Pausenbrot abnahmen und Katzen gegen den Strich streichelten?

    Ein guter Freund hat mir für den Abschluss des Studiums den guten Rat gegeben, meine Magister-Arbeit über ein Thema zu schreiben, das man schon immer möglichst allumfassend beleuchten wollte: Das ist das einzige, was einem in Anbetracht von sechs Monaten voller Recherchen, Analysen und Auswertungen bei der Stange halten kann. Und: Man wird sich nie wieder im Leben soviel Zeit nehmen, ein Thema so ausführlich behandeln zu können.

    Weise gesprochen – und so wahr. Zumindest für die meisten Lebensabschnitte. Wenn man älter wird, findet man manchmal Zeit, den ein oder anderen losen Faden noch mal aufzuheben – diesmal mit der Perspektive, das Thema abschließen zu können, so lange man dazu noch in der Lage ist.

    So ein Thema bei mir: Die Gedenktafeln von Sopron. Klingt komisch? Ist es auch irgendwie. Dahinter steckt eine vage Erinnerung. Ich weiß, dass ich als Kind – vielleicht mit 13 oder 14 Jahren (also vor gut 40 Jahren) – bei einer unserer Ungarn-Reisen, von dem Studienort meines Vaters in Westungarn sehr beeindruckt war. In meiner Erinnerung gingen wir durch die sozialistisch heruntergewirtschaftete Altstadt und mein Vater versuchte sich an Orte zu erinnern, die er zuletzt als Student besucht hatte. Bei der Rückbesinnung sehe ich die Häuser übersäht mit Gedenktafeln und als ich meinen Vater fragte, wer denn all diese berühmten Menschen seien, die man hier ehre, sagte er mir, dass man davon niemanden kenne. Das fand ich noch beeindruckender, denn ich fand bereits die hohe Dichte dieser Tafeln beeindruckend, aber dass diese für Menschen waren, die nicht einmal berühmt waren, beeindruckte mich noch viel mehr.

    So weit meine Erinnerung. Die Frage nur: Erinnere ich mich korrekt? Ist ja kein Problem: Google weiß schließlich alles! Mit der Wortkombination „Sopron“ und „Gedenktafel“ sprudelten die Treffer nicht so üppig wie erwartet – eine handvoll Verweise und am Fuß der ersten Trefferseite bereits der Link zu der ⏩ Sopron-Gedenktafel am Bundestag in Berlin. Das Ergebnis hatte mir eindeutiger vorgestellt. Nächster Anlauf: Nun wollte ich mir mit Bildersuche möglichst viele Bilder der Altstadt anzeigen lassen – wenn es da so viele Gedenktafeln gebe, wie ich meinte mich zu erinnern, dann müssten diese doch auf den Bildern zu sehen sein …

    Hm! Das war leider auch nicht so eindeutig, wie erhofft: Das hier auf diesem einen Bild, könnte eine Gedenktafel sein – wird leider nur unscharf, wenn man es vergrößert … Und hier auch … Aber das könnte auch ein Straßenschild sein oder auf eine Anwaltskanzlei oder Arztpraxis verweisen. So richtig befriedigend war diese Online-Recherche nicht.

    Letztendlich half da nur eines: Hinfahren und nachgucken! Der Plan stand und ich war gespannt, was mich in Sopron erwarten würde. Gewisse Risiken gab es: In 40 Jahren könnten die Häuser alle renoviert wurden sein und die Tafeln der Unbekannten dabei entfernt wurden sein. Mit dem Ende des Sozialismus hätte auch eine „Bereinigung“ des öffentlichen Gedenkens erfolgen können, so wie man aller Orten im ehemaligen Ostblock Marx- und Lenin-Denkmäler „entsorgt“ hat. In Ungarn hat man diesen Denkmäler der Vergangenheit eine Art Altersruhesitz in einem extra dafür angelegten ⏩ Skulpturen-Park gegönnt. Oder ich hatte mich einfach nur falsch erinnert.

    Anderseits waren die Risiken gering zu bewerten: Die Aussicht kurz nach der Lese den ⏩ Ponzichtern und ihren traditionellen Wein-Schenken einen Besuch abzustatten und bei schwacher Nationalwährung heftig und deftig pannonisch Schlemmen zu können, war nicht die Schlechteste. Gut 70 km südlich von Wien war auch in Ungarn mit guten Deutschkenntnissen zu rechnen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Sopron einst als Ödenburg die Hauptstand des Burgenlandes werden sollte. Die Recherche-Reise würde sich also so oder so lohnen und ich war gespannt.

    Im Oktober 2021 sollte ich mehr wissen und schlauer sein.

    Soviel sei als Spoiler hier schon mal verraten: Ja, es gab eine Menge Gedenktafeln in Sopron und es war deutlich anders, als ich es in Erinnerung hatte.

  • Wanderungen zu Wüstungen

    Wanderungen zu Wüstungen

    Auch im zweiten Corona-Frühjahr 2021 kann man in seiner Freizeit nicht viel mehr machen, als durch die Gegend zu latschen. Den Nachwuchs (mit 10 und 13) dafür zu begeistern, fällt nicht immer leicht. Für die erste Woche der Osterferien habe ich also angekündigt, dass wir zu „verlassenen Dörfern“ wandern werden – das klang geheimnisvoll und ein bisschen nach Abenteuer. Die Verpackung ist eben immer so wertvoll wie das Geschenk.

    Die erste Tour führte uns zur Wüstung Kahlenberg im Bergischen Land. Ich wusste von Vorrecherchen aus dem Internet, dass es dort nicht viel zu sehen geben würde, aber man muss ja nicht alles im Vorfeld teilen und kann so für eine Überraschung sorgen. Der Weiler bestand nur aus drei Wohnhäusern mit angeschlossenen Wirtschaftsgebäuden und wurde vor fast 100 Jahren (1928) aufgegeben. Die Häuser zerfielen und wurden in den 1950er Jahren geschliffen. Wo früher die Siedlung war steht heute nur noch ein Kreuz (1995 zum Andenken errichtet), vor dem die Schwelle eines der Wohnhäuser gesetzt wurde. Die Linde hinter dem Kreuz ist ein Naturdenkmal, davor steht noch eine kleine Info-Tafel. Das war’s mit der Wüstung.

    Viel geblieben ist nicht von Kahlenberg – eher nur Erinnerungen

    Unter dem Rasen liegen noch Fundamente und Grundmauern. Dort buddeln sollte man aber nicht, denn die Wüstung Kahlenberg liegt in mitten eines Golfplatzes. Was für eine „Wanderung“, die mit knapp über 3 km viel mehr ein Rundweg über das ‚Green‘ ist, schon etwas ungewöhnlich ist – dafür ist das Gelände aber tipptopp in Schuss und landschaftsgärtnerisch sehr schön gestaltet. Im Gegenzug darf man den Weg nicht verlassen und soll sich vor querfliegenden Golfbällen in Acht nehmen.

    Ohnehin war es für mich die größte Herausforderung, den Startpunkt zu finden, der keine Adresse hat, was Navigationsgeräte in der Regel nicht so lieben. Dreimal standen wir auf einem Parkplatz, auf dem ich verkündete, dass es dort losginge – ging es aber nicht. Letztendlich muss man einen kleinen Parkplatz in „Sürth“ hinter der Bushaltestelle auf der Landstraße finden. Von da an geht es erst bergauf, aber nach der Wüstung am Wendepunkt wieder sanft geschwungen durch ein Bachtal nach unten.

    Spaziergang über den Golfplatz

    Die zweite Tour mit knapp 13 km Länge war dagegen schone richtige Wanderung und erforderte den Kids gegenüber mehr Moderation und Motivation: Im ⏩ Nationalpark-Eifel ging es zur Wüstung Wollseifen. Die hat eine ganz andere Geschichte als das eher traurige Kahlenberg und es gibt noch mehr zu sehen. Auch der Weg ist recht reizvoll. Das erste Highlight, bereits wenige Meter hinter dem Parkplatz am Dorfrand von Dreiborn, ist die ⏩ Rothirsch-Aussichtsempore: eine Art überdachtes Freilichtkino zur Beobachtung der Brunft und Besteigung.

    Gleich am Startpunkt befindet sich die Rothirsch-Beobachtungsempore

    Eine flache Hochebene war nicht das Erste, was mir bei Eifel in den Sinn gekommen wäre. Aber das Laufen auf dem federnden Boden eines ehemaligen Hochmoores ist sehr angenehm. Gleichzeitig reicht einem die Flora gefühlt nur bis zum Knie – das heißt: Es gibt keine Bewaldung und keinen Schatten. Früh morgens ist das beim Laufen angenehm, aber bereits vormittags brennt einem bei schönen Wetter die Sonne Löcher in den Pelz und grillt das Großhirn. Besonders bei sommerlichen Wetter empfiehlt es sich – besonders, wenn man mit Kindern unterwegs ist – ausreichend Flüssigkeit, Mützen und gegebenenfalls einen Sonnenschirm mitzunehmen.

    Die erste gerade Strecke über das Hochmoor kann auch sehr morastig werden. Besonders wenn es ein paar Tage zuvor geregnet hatte. Der Weg ist eben und macht auf Grund des urigen Bewuchses am Rande richtig Spaß: „O schaurig ist’s über’s Moor zu gehn …“ – das wusste schon Annette.

    Hat was von Abenteuer-Tour durch den Dschungel: Der Weg übers Hochmoor

    Nach dem Hochmoor-Pfad kommt nach einer S-Kurve im wahrsten Sinne des Wortes eine Durststrecke: Ohne einen einzigen Baum geht es zwischen Felder und Wiesen einen endlos wirkenden Weg lang. Wenn man ein gutes Auge hat, kann man aber schon in grader Linie vor einem den Kirchturm der Wüstung Wollseifen zwischen den Bäumen am Horizont erkennen. Noch vor dem Überqueren der Bundesstraße findet man die ersten Spuren des ehemaligen Truppenübungsplatzes und ist damit schon in der Geschichte des verlassenen Dorfes angekommen.

    Die fast 1000-jährige Siedlung wurde 1946 vom britischen Militär geräumt und die damals 550 Bewohnerinnen und Bewohner mussten ihr Dorf für einen Truppenübungsplatz aufgeben. Später haben belgische Truppen den Platz übernommen, um im verlassenen Dorf den Häuserkampf zu trainieren. Dafür entstand noch ein Straßenzug mit einfach errichteten Rohbauten entlang der ehemaligen Dorfstraße.

    Schon vor der Bundesstraße finden sich Betonsperren, Erdbunker, Panzerstraßen. Zumindest kann man sich überlegen, was das mal war und wofür es gedient haben mag. Tückisch wird es, wenn man die Bundesstraße überquert und an den Parkplatz zum Rundweg durch die Wüstung kommt. Hier fragen die durchgeschwitzten, verdursteten Großstadtkinder, warum man nicht einfach hätte dort parken können, wie alle anderen, die ins verlassene Dorf wollten. „Weil wir lieber wandern wollten“, kommt dann als Antwort nur eingeschränkt gut an.

    Hinter der Bundesstraße die lange Grade hoch, kommen dann bereits recht schnell die ersten Sehenswürdigkeiten und Neugier besiegt den Frust. Erst ein Schuppen, dann eine Kapelle, später die ehemalige Schule. Alles vom Verein der ehemaligen Bewohnerschaft gesichert und saniert. Am markantesten dürfte die Dorfkirche sein, davor eine Modell, dass die ehemalige Besiedlung zeigt. Entsprechend viele Info-Tafeln erklären alles.

    Die Rohbauten sind aus Sicherheitsgründen im Erdgeschoss zu gemauert. Rein kommt man nirgends. Die Atmosphäre wäre sicherlich noch bizarrer, wenn das Gelände nicht auch unter der Woche stets gut mit Besuchern gefüllt wäre.

    Hinter der Wüstung führt die zweite Hälfte des Rundwanderwegs durch bewaldetes Gebiet, was bei sonnigen Wetter sehr angenehm ist. Dafür geht es steil runter und wieder steil rauf. Hinter der Bundesstraße war im März 2021 die Brücke über den Sauerbach bei Heilstein gesperrt. Konditionstechnisch hätten wir keinen Umweg einbauen können und erwartungsgemäß war nur in einem Brett der Holzbrücke ein Loch, was sie offiziell nicht „verkehrssicher“, aber für Fußgänger völlig ungefährlich begehbar macht. Vom Bachtal aus geht es stetig bergauf zurück auf die Hochebene. Unterwegs haben wir noch wilde Tiere gesehen.

    Wilde Tiere in der Eifel

    Fazit: Tour 1 war ein schöner Spaziergang, wenn man sich mal ein Stündchen in angenehmer Umgebung gehen lassen möchte. Tour 2 eine tolle Tageswanderungen mit abwechselnden Landschaften, spannenden Wegen durchs Hochmoor und einer entsprechenden Attraktion ungefähr auf der Hälfte des Wege.

    Beide Wege waren in meiner Wander-App auf dem Handy entsprechend gut beschrieben und lassen sich vermutlich in allen vergleichbaren Apps finden.

  • Museum mit Durchblick

    Museum mit Durchblick

    In einer Zeit, in der alle zuhause bleiben sollen, sind Ausflugstipps besonders blöd – aber sagen wir mal so: Man kann sich darauf freuen, wenn man wieder raus darf… Viele hätten sich das Jahr 2020 sicher anders vorgestellt. So auch die Stadt Remscheid, die am 27. März 2020 den 175. Geburtstag von Wilhelm Conrad Röntgen, der in Lennep geboren wurde, angemessen feiern wollte, aber die Party fiel aus. Anfang März konnten wir uns jedoch noch im dortigen Museum umgesehen.

    Wir sind gerne in der näheren Umgebung unseres Wohnorts Düsseldorf unterwegs und entdecken dabei spannende Ausflugsziele. Das ⏩ Deutsche Röntgen Museum in Remscheid hatte ich schon länger auf meiner Liste, aber hatte auch Sorgen, dass so ein Thema wie Röntgen-Strahlen ganz schnell entweder zu komplex oder zu dröge werden könnte – besonders, wenn man mit Kindern unterwegs ist. Ich hatte Horror-Visionen, die dem Schulfernsehen der 1970er ähnelten – und vor allem in Schwarzweiß…

    Aber weit gefehlt: Das Museum präsentiert das Thema “in Farbe”, interaktiv aufbereitet und für Kinder ‘anfassbar’. Die Familieneintrittskarte hat neun Euro gekostet – für das Geld kommt ansonsten nur eine Person ins Kino.

    Es beginnt mit dem krönenden Würdigung von Röntgens Arbeit, mit dem Nobelpreis, der ihm 1901 verliehen wurde – es war der erste Nobelpreis, der für Physik vergeben wurde und man kann quasi live dabei sein.

    Ein Raum weiter wird der Mensch Wilhelm Conrad Röntgen vorgestellt – und bei mir ist hängengeblieben, dass er wohl ein störischer Eigenbrödler mit Dandy-Phasen im Studium war – also so eine Art ‘Alm-Öhi in weißen Schuhen’. Man kann hinter Klappen und in Schubladen sehen und sich fragen, in welche Schubladen man wohl selber 100 Jahre später einsortiert wird.

    Im Keller wartet das ‘Kuriositäten-Kabinett’: Neben Kirmes-Attraktionen findet sich auch ein Nachbau einer der ersten Röntgen-Apparate – der auch noch eher an ein Grusel-Labor als an Medizin erinnert. Übrigens gab es die sogenannten ⏩ ‘Pedoskope’, mit denen man in Schuhläden seine Füße mit den gewählten Schuhen auf Passgenauigkeit röntgen konnte, noch bis in die 1970er Jahre.

    Über einen ‘Zeittunnel’ landet man direkt im ersten Weltkrieg, in dem bereits Feld-Röntgen-Geräte genutzt wurden, und kann dann den Weg durch einen Röntgen-Bus nehmen, wie sie für ⏩ Röntgenreihenuntersuchungen in ganz Deutschland unterwegs waren. Es folgen eine Reihe von Geräten, die sich verstellen lassen und an denen Besucher üben können, einen ‘Pappkameraden’ entsprechend zu platzieren.

    Die anschließende Sammlung ist dann nur noch zum Anschauen – aber man sieht, wie die Geräte sich verändert haben und was es nicht alles gab. Entsprechend viele Info-Tafeln und interaktive Displays geben umfangreich Auskunft.

    Am Ende waren wir länger im Museum als anfangs vermutet – und die putzige Lenneper Altstadt bietet sich im Anschluss für einen kleinen Rundgang mit Eis oder Kaffee und Kuchen an.

    Alles in allem so gar nicht wie Schulfernsehen…

    Bildnachweis: Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung des  Deutschen Röntgen Museums

  • Die Sache mit den Erinnerungen, der Katze und dem Äffchen

    Die Sache mit den Erinnerungen, der Katze und dem Äffchen

    Meine Freundin erinnert mich gerne daran, dass Erinnerungen sich verselbständigen können. Sie werden mit Erzählungen, Berichten und der eigenen Phantasie gerne ergänzt und überschrieben. Nichts sei trüglicher als die eigene Erinnerung – und das nehme mit dem Alter zu. Da ich nun jenseits der 50 bin, ist das Verfallsdatum vieler Erinnerungen bereits abgelaufen.

    Das habe ich auch auf einer Kurzreise mit Zwischenstopp in Bremen wieder einmal erleben müssen. Meine Eltern haben mich in meiner Kindheit bevorzugt durch Deutschland kutschiert – und ich erinnere mich gerne an diese Entdeckungsreisen durch mein Heimatland. So waren wir auch in Bremen und ich war vielleicht acht, neun oder zehn Jahre alt.

    Nachhaltig beeindruckt hatte mich der Bleikeller unter dem Bremer Dom. Als es nun mit gut 40 Jahren Zeitabstand wieder in die Hansestadt ging, konnte ich meiner Freundin lebhaft alles aus der schaurigen Gruft unter dem Dom schildern: Die unbekannte Gräfin, der vom Dach gestürzte Dachdecker und natürlich die Katze und das Äffchen, dass man in der bleihaltigen Luft aufgehängt habe, um den mumifizierenden Effekt des Kellerraumes zu testen beziehungsweise unter Beweis zu stellen.

    Es fing schon damit an, dass der „Bleikeller“ gar nicht unter dem Dom ist, sondern sich in einem Nebengebäude und dort nicht einmal so richtig im Keller befindet. Der „Dachdecker“ hatte eine Kugel im Rücken, was dafür spricht, dass er vermutlich auf der Flucht erschossen wurde, anstatt vom Dach gefallen zu sein. Gegen die unbekannte „Gräfin“ sprach, dass niemand zu der Zeit im Adel vermisst wurde. Der mumifizierende Effekt hat nichts mit Blei zu tun (der Keller hieß nur so, weil dort das Blei für die Dachschindeln gelagert wurde), sondern mit einer Sanddüne unter dem Dom, die alles vertrocknen lässt, was über ihr lagert. Wenigstens befand sich der Keller früher tatsächlich unter dem Dom – in soweit hatte meine Erinnerung mich nicht getäuscht.

    Was war aber nun mit der Katze und dem Äffchen, die mich als Kind nachhaltig beeindruckt hatten, wie sie dort verschrumpelt kopfüber von der Decke hingen? Wir fragten die Dame an der Einlasskontrolle: Sie werde immer wieder – besonders von den älteren Besuchern – nach der Katze und dem Äffchen gefragt, aber sie habe noch nie etwas davon gehört. Außerdem müsse sie den ganzen Tag über im Keller hocken, während draußen die Sonne scheine.

    Das war’s: Alles, was wir glauben zu wissen, ist Lug und Trug der eigenen Imagination. Ich fand’s eher deprimierend.

    Am nächsten Tag waren wir im Übersee-Museum – das ich natürlich auch ganz anders in Erinnerung hatte: Exotische Installationen waren einem unstrukturierten durcheinander gewichen und ich fragte mich, wo der ganze Plunder aus fernen Ländern geblieben war, den Generationen von Seefahrern mit zurück in die Hafenstadt brachten.

    Dafür gibt es das Schaumagazin: Ein fünfstöckiger, moderner, klimatisierter Anbau in dem alles archiviert wird, was nicht auf der Ausstellungsfläche gezeigt werden kann – bis zur Decke voll gestopft und vollgestapelt: ohne Ende Exponate.

    Eigentlich eher ermüdend als erhellend und so arbeiteten wir Etage für Etage mit zunehmend mangelhafter Konzentration ab. Ganz oben waren die Tiere: Ausgestopfte Vögel in allen Farben, Schubladen voller aufgespießter Insekten, Großkatzen, Fledermäuse, eingelegte Schlangen.

    Ganz oben, ganz hinten links stand noch ein Schrank mit Schubladen. Meine Freundin – die eigentlich mit dem Schaumagazin durch war – zog eine Schublade auf und rief mich gleich zu sich. Da waren sie: Katze und Äffchen aus dem Bleikeller unter dem Dom! Also hatte mich meine Erinnerung in diesem Punkt nicht getäuscht.

    Und was bleibt von der Reise nach Bremen? Erinnerungen können einen täuschen, starke Erinnerungen haben einen wahren Kern.