Autor: Stefan Balázs

  • Self fulfilling Verschwörungstheorie vom toten Internet

    Self fulfilling Verschwörungstheorie vom toten Internet

    Die „Dead Internet Theory“ ist eine Verschwörungstheorie. Da ist sich das Internet an vielen Stellen einig. Aber, wenn man sich die aktuellen Entwicklungen anschaut ist, ist sie nicht ganz so abwegig wie die Existenz Bielefelds.

    „Die Dead Internet Theory besteht aus zwei Behauptungen. Zum einen behauptet die Theorie, das Internet sei ab 2016 oder 2017 „tot“. Damit ist gemeint, dass hauptsächlich Bots interagieren würden und die menschliche Interaktion nur noch einen Bruchteil ausmache. Zum anderen geht damit meistens die Annahme einher, dass eine geheime Gruppe (oder eine künstliche Intelligenz selbst) das Internet nutze, um Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung via Desinformation und Fake News zu nehmen.“

    So weit die ⏩Wikipedia – total irre oder doch inzwischen nicht mehr so gänzlich durchgeknallt? Wenn der reichste Mensch der Welt mit seiner eigenen ⏩Privat-KI eine Online-Enzyklopädie erstellen lässt, die die Welt nach seinen Vorstellungen erklärt, dann sind Teile der „Verschwörung“ bereits Realität. Wenn der Reddit-Mitbegründer ⏩Alexis Ohanian in der Youtube Tech-Show TBPN davon spricht oder der News-Influencer Fabian Grischkat auf dem Kommunikationskongress 2025 in Berlin in einem Vortrag unter dem Titel „Das Geschäft mit Fake News“ von der Zunahme des von Bots generierten Datenverkehrs spricht, scheint das Ganze nicht vollständig an den Haaren herbeigezogen zu sein.

    Dass das Volumen des Bot generierten Datenverkehrs steigt, ist statistisch messbar:

    von ⏩https://de.statista.com/infografik/27498/anteil-des-durch-bots-verursachten-webtraffics/

    Zählen wir die schädlichen und unschädlichen Bot zusammen (denn die Verschwörungstheorie geht von Bot generierten Datenverkehr ohne Vorzeichen aus), so betrug der Anteil in 2019 37,2 Prozent und in 2023 bereits 49,6 Prozent. Also fast die Hälfte – wenn auch nicht die Mehrheit, also ganz knapp noch nicht die Mehrheit. Aber vielleicht steckt ja auch schon bereits Verschwörung dahinter, dass die Zahlen nicht weiter erhoben wurden, kurz bevor der Anteil kippte.

    Ich musste an das Buch „Das Digitale Debakel“ von Andrew Keen aus 2015 denken, dass ich erst neulich geschafft habe zu lesen. Da stand bereits vor zehn Jahren auf dem Buchdeckel: „Warum das Internet gescheitert ist – und wie wir es retten können“. Vermutlich nicht prophetisch, sondern das Ergebnis guter Beobachtung und vorausschauender Bewertung. Im Kern geht es um die kapitalistische Vermachtung von virtuellen Räumen. Algorithmen sorgen dafür, dass zum Beispiel nur ein Prozent der Content-Creator Sichtbarkeit und ggf. auch mikroskopische Gewinnanteile: „Die Spielregeln der New Economy sind daher dieselben wie in der Old Economy – nur mit Aufputschmitteln. (S. 62) Es verschwindet die Mitte, die durchschnittlichen Nutzerinnen und Nutzer, die sich in der Unsichtbarkeit der digitalen Weiten auflösen.

    Das sind nicht direkt Todesvisionen, aber durchaus sich abschwächende Vitalzeichen. Tatsächlich sucht der Mensch weiterhin den anderen Menschen – biologistisch bleiben wir Herdentiere. Uns missfällt daher die Vorstellung, dass wir im Netz nur noch Bots kommunizieren. Je weniger Menschen digital aktiv sind, desto massiver muss der Bot-Einsatz werden, um die letzten Überlebenden aufzuspüren und zum Handeln zu bewegen. Denn es ist eher unwahrscheinlich, dass künftig Bot bei anderen Bot einkaufen gehen werden – und wenn der Geldstrom stillsteht, ist auch das Internet tot.

  • Hurra! Das neue Spiel ist da 🤲

    Hurra! Das neue Spiel ist da 🤲

    Kam für mich jetzt nicht ganz so überraschend, denn vom Baum fallen die ja auch nicht. Schließlich bastele ich seit Pfingsten 2024 daran herum und hatte ein Jahr später den respektablen Stand einer potenziellen Marktreife erlangt. Aber was heißt das?

    Das heißt eine Menge Arbeit mit vielen Testläufen, Anpassungen, Änderungen und noch mal von vorne Anfängen. Wenn man anfängt, Dinge wieder abzuschrauben, weil sie eigentlich nicht benötigt werden, dann hat meinen ganz guten Stand erreicht und ist (fürs Erste) fertig.

    Aber was macht man nun damit? Man kann die ganzen Schnipsel der Bastelarbeit zusammenfegen, das fertige Spiel in einem Schuhkarton in den Keller stellen und das nächste Projekt beginnen. Man kann natürlich auch jeden seiner Freunde und Bekannte damit belästigen, mit einem „das neue Spiel“ zu spielen, bis keiner mehr vorbeikommen mag.

    Man kann seine Spiel-Idee auch einem Spieleverlag anbieten. Wer überhaupt noch Vorschläge annimmt (was nicht alle Verlage machen), lässt sich in der Regel erstmal nur die Spielanleitung schicken und entscheidet nach deren Lektüre, ob man an einem spielbaren Prototyp zum Testen interessiert ist. Dabei muss das Spiel natürlich in deren Verlagsprogramm passen.

    Wer schon einmal versucht hat, ein Buch bei einem Verlag unterzubringen, weiß wie kompliziert und häufig aussichtslos das ist. Und dabei erscheinen pro Jahr in Deutschland etwas mehr als 70.000 deutschsprachige Bücher. Im selben Zeitraum erscheinen etwa „nur“ 1.500 neue Spiele in Deutschland – also ein noch schmalerer Pfad.

    Ich versuche, bei meinen Ideen, grundsätzlich mitdenken, ob und wie eine Variation im Selbstverlag möglich sein und aussehen könnte. Das ist dann meist nicht ganz so professionell wie die Ausgabe eines Verlages – es ist eher die Coverversion einer Schülerband als der Auftritt des Megastars. Aber das kann ja auch seinen Reiz haben – zumal die Tickets auch deutlicher günstiger sind.

    Ich werde hier in lockerer Serie immer mal wieder Aspekte der Entwicklung mit euch teilen. Das nächste Mal fangen wir ganz vorne an: Bei der Spielidee, die dahinter steckt.

    Das Spiel biete ich inzwischen bereits als einfache „etsy-like“ Version im Presale an:

    https://smdus.sumupstore.com/produkt/presale-loch-lomond-the-game-early-bird

  • Was Männer kosten

    Was Männer kosten

    „In erster Linie sehr viele Nerven ….“ werden sicherlich etliche weibliche Leserinnen denken. Aber hier geht es tatsächlich um Geld und konkrete Summen.

    Spoiler: Männer kosten der Gesellschaft über 60 Milliarden Euro zusätzlich – also nur in Deutschland, auch nur konservativ überschlagen und nur einberechnet, wovon überhaupt Zahlen direkter Kosten vorliegen.

    Bei den messbaren Kosten geht es um Haftstrafen, häusliche Gewalt, Drogenkomsum, Diebstahl, Wirtschaftskriminalität, ungesunde Ernährung, Fußball-Randale und Verkehrs-Rowdietum. In all diesen Felder haben die Herren der Schöpfung die Nase ganz weit vorne. Der Anteil den Frauen an diesen volkswirtschaftlichen Schäden haben ist eher gering und in Berechnungen des Buches bereits abgezogen.

    Hinzu kommen noch indirekte Kosten: Durch Ausfälle am Arbeitsmarkt durch Krankheit, Verletzung oder Haft und natürlich auch die Schädigung anderer durch dieses Verhalten. Dessen Ursachen der Autor Boris von Heesen zur recht im Patriarchat und den überlieferten Rollenbildern von Männern und Frauen sieht. Die „harten Männer“ benehmen sich wie die „wilden Kerle“ und hauen alles zu klump. Das kostet der Gesellschaft einiges. Das ist kreass zu lesen und auch gut und nachvollziehbar mit Quellen belegt.

    So weit die ersten beiden Teile. Im 3. Teil des Buches geht es darum, was man dagegen machen könnte. Ich denke an dem Punkt, dass wir überkommene Rollenbilder aufweichen und auflösen sollten, darin kann man sich schnell einig werden. Das es dabei auch um die Anerkennung derzeit nach vorrangig von Frauen besetzten Berufsrollen geht, ist auch nachvollziehbar. Schwieriger wird es, wie man den Wandel in die Köpfe bekommen soll: Der Autor schlägt dafür in erster Linie Verbände und Lobbyarbeit vor. Beratung und Politik sollten das Umfeld schaffen, in dem die Bevölkerung dazu bereit wäre, sich neuen Rollen und Regeln zu öffnen. (Gegen-) Finanziert wird das mit dem Geld, was dann weniger für patriarchatsbedingten Kosten ausgegeben werden müssen – also wird es durch Einsparungen nachträglich finanziert. Das sind immer schwierige Rahmenbedingungen – vor allem in einem Umfeld, in dem Lust auf Diversity, Wokeness und Queerness immer weiter zurückgeht und viele gesellschaftlichen Gruppen glauben, die alten Rollenbilder für sich neu entdeckt zu haben.

    Während sich insbesondere der erste (zahlengetriebene) Teil wie eine spannende Doku lesen lässt, ist insbesondere der dritte Teil eher ein utopischer Traum einer besseren und gerechteren Welt, die viele Kräfte aber nicht unbedingt haben, wenn sie glauben dadurch ihre Privillegien aufgeben zu müssen. 

    Und vermutlich lesen ohnehin nur Männer, die bereits jenseits der tradierten Rollenbilder leben, überhaupt nur dieses Buch: Männer, die sich Väter einbringen, ihre Arbeitszeiten reduziert haben, damit Ehefrauen und Partnerinnen Anschluss im Job behalten, die eher Fahrrad und Öffis anstatt Auto fahren und nicht jeden Samstag stockbesoffen im Stadion die Fans der Gegenmannschaft verprügeln. Dann kann man das Buch als eine Art Schulterklopfen lesen, aber andere, die sich für solche Themen ohnehin nicht interessieren, werden auch nicht mit diesem Buch erreicht.

  • VÖA – Rückblick auf eine Kommunikationsutopie

    VÖA – Rückblick auf eine Kommunikationsutopie

    VÖA – „Verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit“ – das war der ‚heiße Scheiß‘ in der PR-Seminaren an der Uni Anfang der 1990er Jahre. Tatsächlich stand die These eines Paradigmenwechsels im Raum: Öffentlichkeitsarbeiterinnen und Öffentlichkeitsarbeiter liefern nicht mehr nur mundgerechte Info-Happen an die Journalistinnen und Journalisten, sondern moderieren gesellschaftliche Prozesse – ohne darüber nachzudenken, warum uns jemand dafür bezahlen sollte.

    An eine grundlegende Studie zu diesem Thema konnte ich mich noch erinnern: „Public Relations als Konfliktmanagement“ von Roland Burkart von 1993. Das Modell einer verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit wurde am Beispiel der partizipatorischen Planungsprozesse zweier Sondermülldeponien in Niederösterreich untersucht. Spoiler: Hat nicht funktioniert, eine Verständigung kam nicht zu Stande.

    Trotzdem finde ich es hin und wieder spannend, Ideen von früher nachzuspüren und im Abstand von 30 Jahren das Buch mit der heutigen Perspektive noch einmal zu lesen. Zum Ersten: Für eine wissenschaftliche Abhandlung ist das Werk angenehm kurz (166 Seiten) und recht verständlich geschrieben. Zum Zweiten weist das Forschungsdesign eine gewisse Eleganz auf: Es versucht, tatsächlich vorbildlich umfassend zu sein und nimmt den ganzen Kommunikationsprozess über Input, Throughput und Output ins Visier – also mit Inhaltsanalysen der Kommunikate, den Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger und dem Ergebnis der Kommunikationsbemühungen des Absenders. Viele andere Studien sind dagegen nur monomethodische Stichpunktmessungen, bei denen Ursachen und Wirkungen eher nur geraten werden können.

    Das Modell der „Verständigungsorientieren Öffentlichkeitsarbeit“ geht – verkürzt zusammengefasst – davon aus, dass durch eine ausgehandelte gemeinsame Sicht auf die Sachebene bei gegebener Glaubwürdigkeit des Absenders und der Anerkennung der Legitimität des Handlungswunsches ein Einverständnis erzielt werden kann. Das kann gelingen, wenn die Öffentlichkeitsarbeit es schafft, die Sachverhalten verständlich zu erklären, den Absender als glaubwürdig darzustellen und den nachvollziehbaren Anspruch seiner Wünsche zu vermitteln.

    Die Studie aus Niederösterreich kommt zu dem Schluss, dass sie zumindest habe aufzeigen können, was von dem idealtypischen Modell im Falle der Sondermülldeponien nicht funktioniert habe. Die Menschen wollen sich gar nicht so richtig partizipatorisch beteiligen und sie können sich eh nichts merken, was man ihnen in Flugblättern und Medienberichterstattung hat vermitteln wollen. Es bleibt eher etwas von den Infoveranstaltungen vor Ort hängen – und vor allem bei einzelnen, persönlichen Gesprächen: „Stellt man die Zusammenhänge zwischen Wissenstand und genutzten interpersonalen Kontaktmöglichkeiten einerseits sowie zwischen Wissensstand und Medienkontakten anderseits gegenüber, dann zeigt sich deutlich: der Einfluß der Massenmedien auf den Wissensstand ist weit weniger bedeutsam […].“ (S. 107) Das heißt Pressemitteilungen und bunte Broschüren helfen wenig: Man muss reden!

    Der Begriff „Mediation“ war Anfang der 1990er noch nicht ganz so populär, aber wir Studierende sahen die Öffentlichkeitsarbeit der Zukunft eher als eine Art Moderations-Tätigkeit an und fragten uns, ob uns die Lehrpläne der Universität überhaupt das richtige Handwerkszeug vermittelten. Wir betrachteten PR weniger als Auftragskommunikation, denn als „Ausgleichskommunikation“. Die Tätigkeit einer PR-Abteilung lag weniger darin, das „Sprachrohr der Geschäftsführung“ zu sein, sondern darin den Rückkanal für die Bedürfnisse der Zielgruppen zu öffnen. Die „gute Öffentlichkeitsarbeit“ würde künftig eher wie „ausgleichende Gefäße“ funktionieren anstatt wie mit einem Feuerwehrschlauch in die Menge zu schießen.

    Ich arbeite seit über 30 Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit, ausgleichende Prozesse habe ich dabei weniger moderiert. Eigentlich sendet sie weiterhin die Unternehmensbotschaften aus – vielleicht ist die Verständigungsorientierung dabei internalisiert wurden: Indem man die Bedürfnisse seiner Zielgruppen bei der Kommunikationsplanung versucht zu berücksichtigen, damit die Botschaften auch verstanden und auf fruchtbaren Boden fallen können. So gesehen war „VÖA“ auch eher nur eine Kommunikations-Utopie.

  • Lieber Käsekuchen als künstlich

    Lieber Käsekuchen als künstlich

    KI macht uns dümmer … – vielleicht wiederholt sich (Internet-) Geschichte nicht zwangsläufig, aber gewisse Parallelen mit der Frühzeit im WorldWideWeb gibt es schon: Es war immer schon immer schwierig den Menschen zu vermitteln, dass Google nicht besten Anwalt der Stadt findet, sondern nur den besten, der auch eine Website hat. Und Vergleichsportale verlinken nicht den günstigsten Stromanbieter oder die preiswerteste Versicherung, sondern nur den günstigsten Stromanbieter und die preiswerteste Versicherung, die bereit sind, Provision an den Vergleichsportalbetreiber abdrücken.

    Den besten Käsekuchen meiner Stadt gibt es in einer kleinen Bäckerei ohne Website. Wenn ich eine Suchmaschine nach den besten Käsekuchen in der der Stadt frage, lande ich nur bei McCafé oder Starbucks.

    Ähnliche Tendenzen zeichnen sich bei der intensiven Nutzung von KI-gestützten Suchen ab: Die KI hat im Internet mit hochwertigen Inhalten trainiert und gibt die Infos (meist) ohne Quellennennung weiter. Der Traffic auf den redaktionellen Seite lässt nach, so dass deren Pflege und Betrieb (um Nutzerinnen und Nutzer dort hinzuziehen und die Reichweite für Werbung zu verkaufen) kein Geschäftsmodell mehr ist. ⏩ Das passiert gerade bei verschiedenen redaktionellen Angeboten im Web.

    Also wird man die KI nicht mehr damit trainieren lassen, was bedeuten wird, dass ihre Ergebnisse auf immer dünneren und wackligeren Beinen stehen wird. Was die meisten Nutzerinnen und Nutzer nicht mitbekommen werden – oder es ihnen auch egal ist.

    Sei schlauer: Finde den besten Käsekuchen der Stadt auch ohne Internet und KI und halte es mit dem ollen Kant: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

    Und lass „KI“ demnächst für „Käsekuchen Intelligenz“ stehen 🙂

  • Menschen auf X: Völlig losgelöst …

    Menschen auf X: Völlig losgelöst …

    Der neuerliche Anschlag in Mannheim am Rosenmontag ist ein schweres Thema, das die meisten von uns bedrückt. Das digitale Gaffertum auf Social Media war unerträglich – und Scham- und Anstandsgrenzen verschieben sich bei einigen scheinbar recht schnell.

    Dazu gehört für mich auch die sofortige politische Instrumentalisierung: Es war Vielen direkt klar, dass es wieder einer dieser islamistischen Terrorakte war. Als gegen 16 Uhr durchsickerte, der mutmaßliche Straftäter sei Deutscher, kamen sofort Zweifel auf: Es sei wenn überhaupt nur ein „Passdeutscher“ – also eine eingebürgerte Person – und kein „Biodeutscher“. Eine Trennung, die unser Rechtssystem nicht kennt.

    Auf X liest man ja häufiger, dass Bürgerinnen und Bürger von den Medien belogen werden. Und ich war neugierig, wie man das in diesem Fall bewerten würde. Ich habe auf X gegen 17 Uhr mit dem Hashtag #Mannheim eine kleine Umfrage gestartet, ob man der Meinung sei, dass die Medien in diesem Fall lügen. Diese ließ ich bis 23 Uhr online, weil zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit der Posts auf die Angaben der Polizei und Staatsanwaltschaft verwiesen.

    Gut 1000 Nutzerinnen und Nutzer hatten den Post mit der Frage bis dahin gesehen, jede zehnte Person eine beiden Antwortoptionen gewählt. Der Trend reicht mir und steht stellvertretend dafür, wie sich die X-Blase von der Medien-Realität entkoppelt hat. Knapp zwei Drittel der Antwortenden sagt, dass die Medien hier bzgl. der Nationalität des Attentäters lügen. Dem verbleibenden Drittel ist es egal.

    Methodisch ist das weder repräsentativ noch sauber befragt – aber zum Erkennen der Tendenz sollte es reichen.

    Mir ist schleierhaft, wie man Menschen, die sich aus der gesellschaftlichen Realität ausgeklinkt haben, wieder „erden“ könnte. Ich weiß, dass viele sagen: „Das ist X. Da muss man raus …“ – aber damit lassen wir es in dieser Güllegrube nur unkontrolliert gären und können uns dann nur wundern, wenn uns bei der nächsten Explosion die Sch… um die Ohren fliegt …

    Ich lass das Ergebnis hier mal so stehen für euch:

  • Zeit gewinnen

    Zeit gewinnen

    Zeit lässt sich nicht vermehren: Wir gewinnen Zeit nur dann, wenn wir Dinge liegenlassen. Dann sollten es aber die richtigen Dinge zur rechten Zeit sein.

    Die gute Nachricht: Wir haben ausreichend Zeit!
    Die schlechte Nachricht: Wir investieren diese häufig nicht ausreichend gut.

    Es hilft nicht, mehr Dinge in immer kleinere Zeitfenster stopfen zu wollen: Zeit lässt sich nur gewinnen, wenn man die richtigen Dinge zur rechten Zeit liegen lässt.

    Dies kleine Büchlein soll Sie zu mehr Eigenverantwortung im Zeitmanagement ermutigen.

    Für nur 7,49 Euro direkt online bestellen!

  • Gelesen: Journalismus in Sepia?

    Gelesen: Journalismus in Sepia?

    Ich war eigentlich nie „Fan-Boy“ von irgendetwas oder irgendwem. Aber ich muss zugeben, dass ich die Reportagen von Alexander Osang in der Berliner Zeitung immer äußerst lesenswert fand. Sie waren auch ein Grund dafür, warum ich während meines Publizistik-Studiums in Berlin die „Berliner Zeitung“ abonniert hatte, anstatt den „Tagesspiegel“, den Publizistik- und Politik-Studierende eigentlich eher lasen.

    Tatsächlich kaufte ich mir auch einen der ersten Sammelbände mit den „Nachwende“-Reportagen aus der Berliner Zeitung. „Das Jahr Eins. Berichte aus der neuen Welt der Deutschen“ (erschienen 1992 im Verlag Volk & Welt) war tatsächlich bereits das zweite Buch – bis heute im Jahr 2024 sind 19 weitere erschienen. Das jüngste Buch erschien 2022, heißt „Das letzte Einhorn“ und versammelt 19 ausgewählte Spiegel-Reportagen aus zwölf Jahren.

    Wenn man diese Reportagen geballt an einem Stück liest, ist das ein wenig so, wie ein Movie-Marathon mit Till-Schweiger-Filmen aus den 2000er Jahren: Bei Schweiger ist alles sepia-farbend, bei Osang alles latent deprimierend. Die Hauptfiguren in den Reportagen wirken immer irgendwie verloren, deplatziert, orientierungslos. Ihre Jackets sind eine Nummer zu groß, sie wissen nicht, wohin mit den Händen, gehen durch die falsche Tür ab. Man hat das Gefühl, der Lack sei ab und der Kaiser eigentlich nackt.

    Wenn man von einem Menschen alles abklopft, was das Leben auf ihn drauf geworfen hat, sind wir alle nackt und klein, Maden, die sich winden, weil sie ungeschützt sind. Vielleicht lernt man das so in der Journalistenschule oder das ist sein Ding: Geh der Sache auf den Grund, zerlege alles in seine atomaren Bestandteile und stell dann fest, dass alle Bausteine eigentlich gleich aussehen.

    Es sind größtenteils Geschichten von Menschen mit ostdeutschen Biographien oder Geschichten von Menschen, die mit ostdeutschen Biographien konfrontiert werden. Da war es wieder: Das Stichwort „Ostbewusstsein“, mit dem ich mich ⏩ hier jüngst auch schon auseinander gesetzt habe. Als ich vor über 30 Jahren den ersten Sammelband mit Begeisterung gelesen habe, habe ich diese gedankliche Brücke noch nicht schlagen können. Inzwischen habe ich das Gefühl, dass unter anderem genau auch diese Art der Reportagen Gehwegplatten auf dem Weg der Wahrnehmung waren, der zu diesem kollektiven Lebensgefühl geführt hat.

    Reportagen und Reportagen-Klassiker

    Auf jeden Fall hat mich die Lektüre des Sammelbandes „Das letzte Einhorn“ zurück zu meinem Bücherregal geführt, dem ich eine alte DDR-Ausgabe des „Rasenden Reporters“ von Egon-Erwin Kisch in der Bearbeitung von Bodo Uhse von 1950 entnahm, um diese endlich mal ganz durchzulesen. Alexander Osang ist regelmäßig für den renommierten Journalismus-Preis nominiert, der nach dem stilprägenden Reportage-Journalisten der 1920er und 1930er benannt wurde. Erhalten hat Osang den gleichnamigen Preis 1993, 1999 und 2001 „und wurde so regelmäßig für diesen nominiert, dass Journalistenkollegen schon vom ‚Osang-Preis‘ spotteten“, wie bei ⏩ Wikipedia nachgelesen werden kann. Ich lese jetzt erstmal das Original.

  • history repeating: Büro-Automation und KI

    history repeating: Büro-Automation und KI

    Geschichte und Geschichten wiederholen sich – heißt es. Das gilt scheinbar auch für Diskussionen über Veränderungsprozesse. Ich weiß leider nicht mehr ganz genau, wie ich auf das kleine Büchlein „Die Programmierer – Eliten der Automation“ von Karl Bednarik von 1965 (in der Fischer Taschenbuch-Ausgabe von 1967) gestoßen bin. „Karl Josef Franz Bednarik war ein Wiener Maler und Schriftsteller mit sozialkritischem Engagement“, kann uns ⏩ Wikipedia berichten. Er lebte von 1915 bis 2001, war gelernter Buchdrucker und Elektroschweißer, der sich autodidaktisch zum Künstler weiterbildete. Nebenbei verfasste er gesellschaftskritische Schriften wie unter anderem einen utopischen Roman mit dem viel versprechenden Titel „Omega Fleischwolf“, den ich sicher auch noch mal lesen werde, wenn ich ihn in die Finger bekommen sollte.

    Abgesehen davon, dass ich es unterhaltsam finde, ältere Bücher zu lesen, in denen Prognosen über (teilweise inzwischen bereits vergangene) Zukünfte erstellt werden, stieß ich bei Bednariks Programmierer-Buch, auf eine Diskussion, die wir heute führen und deren Argumenten wir teilweise direkt übernehmen könnte, wenn wir das Wort „Computer“ durch die Worte „künstliche Intelligenz“ ersetzen. Der Autor beobachtet, beschreibt und bewertet den Wandel der Verwaltungsberufe durch die Einführung elektronischer Datenverarbeitung vor gut 50 Jahren: „Nachdem die Maschine dem Menschen sehr viel Handarbeit abgenommen hat, ist sie nun auch dabei, ihm die Kopfarbeit zu enteignen, zumindest große Teile dessen, was bisher als Kopf- und Geistesarbeit angesehen wurde.“ (S. 9)

    Parallelen zur Diskussion um KI liegen auf der Hand

    Bednarik sieht nicht in erster Linie die Technik als Bedrohung der Bürovorsteher (mit Verweis auf Zemanek nennt er Großrechner ‚gigantische Vollidioten‘, die nur mit den Fingern rechnen könnten, davon aber Millionen hätten – vgl. S. 68), sondern deren Bediener: „Das sind die Programmierer, jene Spezialisten, die Arbeitsabläufe vordenken und festlegen, die mit Hilfe technischer Anlagen Planung, Ablauf und Vertrieb ganzer Industrieproduktionen bestimmen.“ (o. S. – Klappentext vor dem Schmutztitel). Ohne technische oder kaufmännische Kenntnisse analysieren und zerlegen sie alle Arbeitsabläufe und legen sie als Programmabfolge für die Datenverarbeitung fest. Damit steuern sie de facto den ganzen Betrieb ohne zum Management zu gehören, orientieren sich dabei an einer Idealform und entwerfen so „eine neue Organisationsform als abstraktes Modell“ (S. 73).

    Die Grenzen der Automatisierung liegen darin, dass sich die Computer nicht selber erzeugen oder programmieren können und dass maschinelle Entscheidungen durch die Programmierung vorbestimmt seien (vgl. S. 20). Das kommt uns bei KI anders vor, obwohl auch hier im Kern nur Nullen und Einsen Abläufe bestimmen, aber die ‚gigantischen Vollidioten‘ inzwischen Milliarden Finger haben und die Programme eine Komplexität erreicht haben, die die Vorstellungskraft der meisten Menschen übersteigt. Letztendlich laufen auch hier nur Routinen nach vorgegebenen Schemata ab – auch oder gerade in der Logik der Kombinatorik mit anderen Datenbeständen. So programmiert sich eine KI selber nach vorgegebenen Programmabläufen.

    Während Bednarik seine Erkenntnisse auf der Grundlage von Beobachtungen auf Basis der Einführung erster Großrechner mit Lochstreifen und Magnetbändern gewinnt, wissen wir nun – 50 Jahre später – wie Computer in alle Bereiche unseres Lebens vorgedrungen sind. In weiteren 50 Jahren werden wir auch wissen, in weit weit künstliche Intelligenz Alltag und Beruf verändert haben wird. Eine Prognose von damals wird dabei auch in der aktuellen Diskussion häufig gehört: „Wenn eine Verringerung des Büropersonals erfolgt, dann nur bei eintönigen und langweiligen Routinearbeiten.“ (S. 123 – rezit. Levin) Kommt einem irgendwie bekannt vor, oder?

  • Es geht APP im Dorf

    Es geht APP im Dorf

    (K)Ein Dorf wie jedes andere: Mit dem Audioguide durchs südniedersächsische Hinterland

    Bühren im Schedetal – zwischen Hann. Münden und Göttingen gelegen, wenn man von der Straße nach Dransfeld abbiegt und durch die Landschaft gurkt – unterscheidet sich nicht sonderlich von vielen kleinen Dörfern in Südniedersachen. Es gibt eine Kirche, einen Friedhof, viel Fachwerk und etwas Landwirtschaft. Insgesamt wohnen dort gut 500 Menschen. Es sieht aus wie alle Dörfer in dieser Gegend. Und dennoch gibt es einen guten Grund, gezielt nach Bühren zu fahren: Einen interaktiv gestalteten Kulturpfad mit Audioguide und eigener App. Das hat nicht jedes Dorf!

    Dazu muss man wissen, dass es den Kulturpfad als Rundwanderweg bereits seit Anfang der 2000er Jahre gibt – die App kam erst später dazu. Die knapp drei Kilometer lange Tour ist auch in allen üblichen Wander- und Outdoor-Apps verfügbar, über verschiedene Tourismusseiten der Region verlinkt, aber den ⏩ Download-Link für die App (nur für Android) gibt nur es auf der Homepage des Dorfes.

    Dorf-Tour in der Wander-App und Dorf-App mit Audio-Guide

    Es gibt auch eine ⏩ kleine Broschüre, die man dort ebenfalls digital herunterladen oder aus dem kleinen Holzkasten an der zentralen Bushaltestelle in der Dorfmitte auch gedruckt mitnehmen kann.

    Die ersten drei Stationen haben wir erstmal prompt überlaufen – vermutlich waren wir nur etwas zu enthusiastisch losgestiefelt. Die Kartenansicht in der App hat nicht funktioniert bei uns – aber wir haben uns von einer Wanderapp mit einer absolut gelangweilten, monotonen Frauenstimme durch die Ortschaft navigieren lassen. Der Weg ist eigentlich ausreichend gut mit einem „K“ gekennzeichnet und an jeder Station steht eine Info-Tafel mit Text und Bild.

    Vom Versammlungsplatz in der Dorfmitte (dem „Tie“) geht es am ältesten Haus vorbei, runter ins Bachtal, wo mal eine handvoll Mühlen am Wasserlauf standen. Maschinenbaumeister Manfred Fischer hat in zirka 1300 Arbeitsstunden eine Wasserradanlage aus Eigeninitiative und mit eigenen Mitteln neben seinem Haus erbaut, die Mühlentradition – es gab wohl derer Fünfe – im Dorf veranschaulichen soll.

    Stationen der Runde

    Hinter dem Dorf hat es tatsächlich noch eine Besonderheit – in diesem Falle eine Geologische: Am Dorfrand erhebt sich eine 10 Meter hohe Basaltwand. Der Rohstoff wurde bis Ende der 1960er Jahre auch im großen Maßstab dort abgebaut, rund 1.200 Tonnen täglich, die von zirka 40 LKWs pro Tag abtransportiert wurden. Hier wurde mir auch zum ersten Mal deutlich, was mich ein bisschen an den Audio-Beiträgen störte: Ganz ohne (Hintergrund-) Geräusche wirken die Aufnahmen sehr „steril“. Gerade der Steinbruch mit seiner Lärmkulisse hätte die Hörszenerie lebendiger wirken lassen.

    Bührener Basaltwand

    Den Abschluss der Runde bildet ein kleiner, künstlich aufgeschütteter Hügel, auf dem zehn Mord- oder Sühnesteine stehen. Diese Sammlung resultiert nicht aus der besonderen Mordlust der Dorfbewohnerinnen und -Bewohner, sondern sie versammelt alle Gedenksteine, auf dem ⏩ Harster Heerweg – einer alten Nord-Süd-Handelsroute – zu Tode gekommenen Personen. In dieser Art auch einmalig in Niedersachsen.

    Südniedersachsen ist nicht der aufregendste Ort der Welt – und ich als gebürtiger Südniedersachse darf das sagen – und dort sieht es in Varlosen, Dankelshausen und Ellershausen nicht viel anders als in Bühren aus, aber die App lockt einem beim Besuch der Region dann doch nach Bühren und eben nicht nach Varlosen, Dankels- oder Ellershausen. So gesehen haben sich die Bührener ein Alleinstellungsmerkmal programmiert.

    Sammlung der Sühnesteine

    Hier kann man die Beiträge auch ohne App reinhören:

    in Hochdeutsch

    in Platt