Autor: Stefan Balázs

  • Jungen-Katastrophe

    Jungen-Katastrophe

    Als Vater zweier Jungen war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ich das Buch von Frank Beuster lesen würden: „Die Jungen-Katastrophe. Das überforderte Geschlecht“ aus dem Jahr 2006 ist fast schon ein Klassiker. Die Thesen dürften nicht nur bereits eine gewisse öffentliche Karriere hinter sich haben, sondern sind auch äußerst gut nachvollziehbar: Immer mehr Jungen wachsen ohne männliche Rollenvorbilder auf – weil die Väter nicht mehr in den Familien leben und in den ersten Lebensjahre vorrangig Frauen als Erzieherinnen in Kindergärten und Lehrerinnen in den Schulen tätig sind. Dann werden sie auch noch in eine Umwelt entlassen, die eine Frauen- aber keine Männerförderung kennt. Das macht es Jungen schwer(er) ihre Rolle im Leben zu finden.

    So weit, so gut. Und deswegen finde ich es auch klasse, dass es im Kindergarten einen Erzieher und immer wieder regelmäßig männliche Praktikanten gibt. Ob das Buch zu diesem Thema knapp 350 Seiten haben muss, ist jedoch fraglich: Die Argumentationslinie ist sehr unsystematisch und der Autor hüpft von Höckchen zu Stöckchen.

    Ich habe das Buch ganz gelesen und kann bestätigen, dass es bis zum Ende so bleibt. Insbesondere den letzten Teil „Diagnose Junge – und die Medizin?“ (S. 296ff) fand ich fast schon wirr. Meistens klingt Frank Beuster so wie ein engagierter Grundschullehrer mit Spaß und Freude an Wortwitzen uns Sprachspielereien – das liegt aber vermutlich daran, dass Frank Beuster ein engagierter Grundschullehrer ist.

    Auch wenn man Zitate nicht aus dem Zusammenhang reißen sollte, haben mich zwei Stellen aber bereits beim Lesefluss etwas verwundert. Auf Seite 207 fragt der Autor: „Werden Frauen und Homosexuelle in Zukunft Gewinner sein, wenn es um die Verteilung der immer weniger werdenden Arbeitsplätze geht?“ und auf Seite 255 lautet seinen Frage: „Sind Frauen inzwischen die besseren Männer?“ Das mag rhetorisch gemeint sein, wirkt aber überflüssig. Dafür zweimal ein „Nein!“ von meiner Seite.

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    Der Beitrag ist zuerst erschienen unter http://www.vatertage.net/papier-ist-geduldig-10-jungen-katastrophe/

  • Die Sache mit der falschen Fleischwurst

    Die Sache mit der falschen Fleischwurst

    Ich bin in diesem Blog stets bemueht ausschließlich eigenes Material zu verwenden oder die Quellen klar zu kennzeichnen. Wenn dies an einigen Stellen nicht so gut geglungen sein sollte, dann handelt es sich um eher um Flüchtig- oder Nachlässigkeit als um Vorsatz.

    Vor über zwei Jahren hatte ich hier einen Beitrag über Fleischwurst-Präferenzen beim Nachwuchs veröffentlicht. Bebildert hatte ich den Beitrag mit einem Foto einer Fleischwurst, das ich aus dem Netz hatte, von dem ich aber glaubte, dass es verwendet werden durfte. Vor ein paar Tagen erhielt ich eine automatisierte Mail des Plattformbetreibers, dass man diesen Beitrag wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht offline gestellt habe.

    Ich habe erst gar nicht genau verstanden, worum es geht und dachte es könnte vielleicht daranliegen, dass in der Überschrift des Beitrages das Wort „geil“ zu finden ist und ich bei den Metadaten „keine Altersbeschränkung“ gewählt hatte. Aber nein, es ging um das Fleischwurst-Bild, dass aus dem betreffenden Beitrag bereits gelöscht war.

    So ganz nach vollziehbar war das alles nicht, weil der ganze Vorgang auf US-amerikanischen Recht basiert und alles, was es darüber zu lesen gibt, ist in Englisch. Wenn es um juristische Spitzfindigkeiten geht, verlässt mich mein Alltags- und Small-talk-Englisch zusehends und auch auf E-Mail-Nachfrage erhielt ich auch keine Antwort.

    Ich habe nun unsere Fleischwurst auf unserem Küchentisch fotografiert, das Bild im beanstandeten Beitrag ausgewechselt und hoffe nun damit, auf der rechtlich sicheren Seite zu sein.

    Dieser Beitrag erschien zuerst unter http://www.vatertage.net/sinn-und-zweck-11-die-sache-mit-der-falschen-fleischwurst/

  • Das Fleischauto

    Das Fleischauto

    Es war wieder einmal mal Wochenende, als mein größerer Sohn sagt: „Papa, ich will ein Auto bemalen.“ Nun hatte ich kein bemalbares Auto griffbereit, aber einen Bogen Pappe und eine Schere.

    Freihändig zeichnete ich die Seitenansicht auf ein kindgerechtes Auto und vervollständigte sie ohne Lineal, Winkelmaß und Hilfslinien zu einem vollständigen Autofaltbogen (wobei ich leider nicht an die Klebekanten dachte). Ausgeschnitten und gefalzt ergab es tatsächlich ein Auto und ich muss zugeben auch ein bisschen stolz zu sein, dass so einfach „aus der Hand“ hinbekommen zu haben. Das ist meinem Sohn egal, denn es ging ihm ja ohnehin nur um Dekorieren.

    Also überließ ich im die Wahl, was er aus den Supermarkt-Prospekten zum Dekorieren verwenden wollte – er entschied sich für Fleisch! Da hilft auch nicht, dass wir auf einen der hinteren Kotflügel einen Guggelhopf im Glas und eine Scheibe Brot verbauen. Am Ende kleben wir noch Gesichter auf die Fensterflächen des rollenden Fleischmasse, aber das macht es auch nicht viel besser. Aber mal ganz ehrlich: Mir sind Fleischberge lieber als Ponys, Schmetterlinge und pinke Elfen. Ein bisschen stolz bin ich schon auf meinen Sohn für sein sichere Händchen beim Dekorieren.

    Dieser Beitrag ist zuerst erschienen unter http://www.vatertage.net/basteln-9-das-fleischauto/

  • Berufsnörgler

    Berufsnörgler

    Neulich stieß ich im Bücherladen auf den provokanten Titel „Kinderkacke“. Der spontane Blick ins Buch ließ mich im Abschnitt „Sonntag mit Schrecken“ (S. 147ff) landen und die Schilderung der Angst der Eltern vor dem Wochenende traf einen leidgeplaten Nerv.

    Leider traf dann die vollständige Lektüre ein ganzes Bündel Nerven, weil die fortgesetzte Lektüre genau auf die selben ging. Ein Berliner Elternpaar, dass in den hedoistisch geprägten 1990er Jahre jung war (Gerhard Schulzes „Erlebnisgesellschaft“ lässt grüßen) findet alles Familiäre doof, weil es keinen Spaß macht. Jedem, der seine Kinder liebt, gehen die kleinen Monster auch irgendwann gewaltig auf den Keks und wer anders behauptet, der lügt.

    Das lässt sich auch sicher in einen lockeren Text verpacken. Was aber aus der lockeren Verpackung der „Kinderkacke“ quillt, ist tatsächlich an vielen Stellen eine solche. Die Idee als Mutter und Vater in verteilten Rollen aus der jeweiligen Perspektive zu schreiben hat einen gewissen Charme. Auch das aus dem Bayerischen bekannte chronische „Granteln“ ist ein unterhaltsames, denn überhöhendes Stilelement. So was kann als Serie episodisch unterhaltsam sein, aber in einem Buch hintereinanderweg macht es eher schlechte Laune.

    Frustriert die Welt anzugiften, wäscht sich aber recht schnell aus: Das Elterngeld ist Mist, die Arbeits- und Betreuungsmöglichkeiten sind Mist, Bahnfahren ist Mist, das Diktat der Modeindustrie ist Mist, Wohneigentum ist Mist und die eigenen Eltern nerven. Die Liste klingt sehr pubertär und das immer die anderen oder die allgemeinen Bedingungen schuld an der Misere sind, wirkt ebenfalls so. Dabei hat der unzufriedende Papa eine Saisonkarte fürs Fußballstadion, geht morgens joggen und hängt abends mit Freunden in der Kneipe oder auf Parties ab und hat in seinem Arbeitszimmer ein kleines Tonstudio. Alles Dinge, von denen die meisten anderen Väter (und Mütter) nur träumen können – und trotzdem sind sie nicht so unzufrieden wie die Autoren.

    Erst habe ich mich geärgert, dann taten sie mir leid. Erst wollte ich ihnen (virtuell) eine kleben, nun möchte ich sie nur noch drücken. Aber es gibt ja auch einiges gut Gemeintes im an so vielen Stellen weniger gut Gemachten. So schreibt Thomas über die Rolle der neuen Väter: „Wir sind gerade erst im Mittelalter der Vaterschaft angekommen. Auf Renaissance und Aufklärung warten wir noch vergeblich.“ (S. 174) Das ist ein starke Metapher, aber irgendwie bringe ich mehr Verständnis für die Schilderungen von Julia auf. Auch hier mangelt es nicht an guten Sequenzen: „Das Leben mit Kind gleicht einem mafiösen System von Erpressungen un Bestechungen.“ (S. 127) Richtig gelungen ist jedenfalls das Fazit der gemeisamen Schreibarbeit: „[E]s gibt eine Sache, die viel blöder ist, als Kinder zu haben, und das ist: keine Kinder zu haben.“ (S. 218)

    Ein Projekt, das so polarisierend wirkt, dass ich mich richtig lang und breit dazu auslasse, kann dann gar nicht verkehrt gewesen sein – zumindest hat es ja Wirkung erzeugt.

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  • Partzipienreiter

    Partzipienreiter

    Die Partizipbildung im Deutschen ist gar nicht so leicht und manchmal auch nicht ganz logisch. Bei Kindern im beginnenden Kindergartenalter sorgt für die schönsten Stilblüten. Mir gefiel schon seit längerer Zeit die Wortbildung „gebest“, die sich von Besen ableitet und meint eigentlich „gefegt“. Im vollständigem Satz: „Hast Du schon die Krümel unter dem Tisch weggebest?“

    Ein neuerliches Highlight ist „geschleift“ als Ableitung von „eine Schleife gebunden“. Im vollständigem Satz: „Papa, hast Du schon gesehen wie schön die Verkäuferin das Band an das Geschenk geschleift hat?“

    Dieser Beitrag erschien zuerst unter http://www.vatertage.net/alltag-51-partzipienreiter/

  • Kuschelgemüse

    Kuschelgemüse

    Wenn man sieht, wie intensiv sich Kleinkinder mit Alltäglichem beschäftigen können, kann man sehr schnell auf Ideen kommen. So ging es mir, als ich vor längerer Zeit meinen Sohn mit einer Lauchstange beobachtete. Das Gemüse hat haptisch einiges zu bieten: Der Schaft ist glatt und lang, die Blätter kantig, aber biegsam und die Wurzeln kitzeln wie eine kleine Bürste.

    Da habe ich mir gedacht: Die Welt wäre reicher, gäbe es Kuschelgemüse. Natürlich habe ich da noch nicht geahnt, wie reich die Welt schon lange ist, denn Kuschelgemüse gibt es natürlich schon längst – wie es eigentlich schon alles gibt, von dem man meint, es müsste mal erfunden werden.

    Es kommt von der japanischen Kaufhauskette Muji und sieht leider gar nicht so aus, wie es prototypisch entwurfen hätte. Beim Kohl und Lauch kann man nicht auf Anhieb erkennen, was es sein soll, was bei Pilz und Karotte einfacher fällt. Und rasseln tut alles auch noch.

    Hier wurde meiner Meinung erlebnispädagogisches Potenzial verschenkt. Aber was soll’s: Mein Kuschelgemüse hätte ich auch nicht zum vergleichbaren Preis auf den Markt schmeißen können und es spricht ja auch eigentlich nichts dagegen, dass Kinder auch mit echten Gemüse kuscheln – muss halt nur regelmäßig getauscht werden und in die Suppe wandern, wenn es welk wird.

    Dieser Beitrag erschien zuerst unter http://www.vatertage.net/alltag-44-kuschelgemuese/

  • Grenzgänger

    Grenzgänger

    Es ist schon schlecht, wenn man sich nicht mehr an konkrete Stellen des Buches, was man besprechen wollte, erinnern kann. Es war aber irgendwie gut – so viel weiß ich noch und das ist ja auch schon mal was.

    Ich habe ohnehin ja das Gefühl, dass man diese Erziehungsratgeber liest, um sich zu vergewissern, dass man intuitiv eigentlich doch nicht so viel falsch macht. So zielen dann auch die Kernaussagen Jan-Uwe Rogges in seinem „Das Neue Kinder brauchen Grenzen“-Buch darauf ab, Ruhe zu bewahren und weiterzuatmen. Eltern sollen die Grenzen ihrer Erziehungsmöglichkeiten („Ermutigung zur pädagogischen Unvollkommenheit“) und bei ihren Kindern die Grenzen der Erziehbarkeit akzeptieren.

    Hilfreich sind die Verweise auf Auszeiten (s. 77ff), bevor Dinge eskalieren: Einfach sich oder die Kinder aus der Situation rausnehmen – es funktioniert. Den Tipp, Trödel-Kindern mit einer Sanduhr Zeiteinheiten verständlicher zu machen, fand ich auch sehr gut. Eine Sanduhr habe ich noch gefunden, aber so richtig probiert haben wir es dann doch nicht.

    Vielen Hinweise beziehen sich aufs Taschengeld, das Handy oder Fernsehen. Das sind Themen, die noch kommen – vielleicht habe ich deswegen in diesen Kapiteln nur kursorisch gelesen. Aber ich werde sicher noch mal nachblättern, wenn es akut wird.

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  • Nicht ohne meine Raupe

    Nicht ohne meine Raupe

    Wenn es um Kinderbücher geht, ist „Die kleine Raupe Nimmersatt“ ganz vorne mit dabei. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie es dazu kam, dass mein Sohn sich in sie verliebte, aber ohne die „Haupe“ (wie er es ausspricht) geht gar nichts mehr und er vor allem nicht ins Bett.

    Eric Carle hat viele Kinderbücher geschaffen, aber die ‚kleine Raupe‘ ist ein echter Klassiker geworden. Entstanden ist das Buch vor gut 40 Jahren in Deutschland, denn die Eltern von Eric Carle siedelten in den 1930er Jahren nach Südwestdeutschland über, wo er während des Krieges auch zur Schule ging und im Anschluss an der Stuttgarter Akademie Serviettentechnik studierte.

    Da sich mein Sohn immer das ganze Buch (inklusive Cover, Verlag und Copyrights) vorlesen lässt, haben wir ungezählte Male auch die Widmung „Für meine Schester Christa“ auf der ersten Innenseite vorgelesen. Neugierig wird man da schon? Wer ist Christa? Wie geht es ihr? Christa ist 21 Jahre jünger als Eric und er hat ihr die Raupe zu ihrer Geburt gewidmet. Woher man all das weiß? Natürlich aus dem Internet und dort von der gut aufgeräumten Eric-Carle-Website. Dort gibt es auch ein Bild von Christa.

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  • Handschuhe für Anfänger

    Handschuhe für Anfänger

    Kalt genug ist es ja inzwischen – also braucht das Kind Handschuhe. Aber so einfach ist das gar nicht: Versucht man einem Zweijährigen Fäustlinge anziehen, erreicht man damit zunächst nur Erstaunen. Das Ende der Bemühungen ist ein leere Wolle-Wurst am Ende der Arme des kleinen Mannes. Wo die Finger und wo der Daumen in den Fäustlingen hinaus ist dem Kind nur eingeschränkt zu vermitteln.

    Zumindest haben wir von der Tagesmutter gelernt, dass man erst die Handschuhe und dann die Jacke anziehen sollte – das erhöhe die Erfolgschancen, dass die Handschuhe an den Armen bleiben. Aber spätestens beim Loslaufen zeigt sich die Lücke im Konzept: Wenn das Kind stehen bleibt, läuft man mit einem kleinen, leeren Handschuh alleine weiter. Wenn Sie also ein Kind mit nur einem Handschuh alleine in Düsseldorf herumstehen sehen – es könnte meins sein…

    Dieser Beitrag ist zuerst erschienen unter http://www.vatertage.net/alltag-30-handschuhe-fuer-anfaenger/

  • Weiterhin bedrohte Wörter

    Weiterhin bedrohte Wörter

    Wer „A“ sagt, muss auch „B“ sagen. Und weil ich mich hier recht löblich über den ersten Teil ausgelassen habe, komme ich um den zweiten Teil von Bodo Mrozeks „Lexikon der bedrohten Wörter“ wohl nicht herum – mitgehangen ist mitgefangen.

    Weiterhin finden sich kurze und mitunter sogar kurzweilige Einträge, die sich flott auch mit Unterbrechungen lesen lassen, aber die geschmunzelte Freude beim Wiedersehen alter Wörter mag sich nicht so einstellen wie beim ersten Band. Irgendwie wirkt es bemühter – es kann aber auch daran liegen, dass man beim zweiten Buch die Idee nicht mehr so originell, wie beim ersten findet. Trotzdem gibt es auch hier eine Lieblinge von der roten Liste (Fuchtel, Manchesterhose und Tusnelda), aber deren Erklärungen hätte man auch woanders suchen und finden können.

    Hoffentlich bleibt dem an sich netten Projekt das Schicksal der Filmtrigolie von „Der Matrix“ erspart: Den ersten Teil von man super, die Folgenden hat man sich nur angesehen, damit es endlich ein Ende damit hatte…

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