„Da hört ich Fische miteinander Lärm anfangen, daß es in den Himmel hinaufscholl, und ein süßer Honig floß wie Wasser voll einem tiefen Tal auf einen hohen Berg; das waren seltsame Geschichten.“ – so die ⏩ Gebrüder Grimm in ihrer Version des „Schlaraffenland“. Bereits die ⏩ Bibel spricht an 26 Stellen des Alten Testaments von einem „Land, darin Milch und Honig fließt“ (womit aber Israel gemeint ist).

Auf jeden Fall plagt einem im Märchen oder im gelobten Land nicht eine Sorge, alles ist eitel Sonnenschein und das Leben ist schön – ganz so wie bei LinkedIn: Niemand findet seine Vorgesetzten noch sein Team kacke, Leistungen, Produkte und Dienstleistungen flutschen wie von selbst, die Arbeitsbedingungen übertreffen jegliche Vorstellungen und alle betriebliche Tätigkeit ist nachhaltig und im Einklang mit Natur, Mensch und Gesellschaft.

Ich habe keine Ahnung, wo ihr arbeitet, aber ich würde gerne bei euch mitmachen! Zugegeben: Bei meinem Job ist natürlich auch nicht alles schlecht – aber manches könnte noch besser oder anders gemacht werden und wir arbeiten auch daran, mal schneller, mal langsamer, aber „stets bemüht“, während alle anderen scheinbar im Wellness-Bereich der Business-Welt sitzen und als Partypeople der Produktivität täglich die Welt verändern.

Es gibt kein Burnout, keine inneren Kündigungen und kein Mobbing – schmutzige Wäsche wird hinter verschlossenen Türen gewaschen. Und mal ehrlich: Wer will schon lesen, was er oder sie täglich selbst erlebt? Ein bisschen Business-Eskapismus in die perfekte Illusion ist da schon angenehmer. Anderseits: Mich langweiligen das ewige Gruppenkuscheln von Teams, die sich bedingungslos lieben, die Lobgesänge der Führungskräfte auf die Belegschaft, bevor sie Filialen schließen und Produktionsstätten dicht machen und die selbstherrlichen Hinweise, man irgendetwas für sich gelernt, als man den Umgang indigener Bergvölker mit Bienen beobachtet oder sich mit der Konstruktion von Lehmhütten in Kenia befasst habe.

LinkedIn in ist so ein bisschen das Schlagerfest der guten Laune bei Social Media. Ich versuche, meine Kindern zu erklären, dass Social Media nichts mit dem realen Leben zu tun hat – da machen Business-Netzwerke keine Ausnahme. Im Nachrichtengeschäft gilt „bad news is good news“, bei LinkedIn gilt „only better news is good news“. Darum sind andere immer bunter, erfolgreicher, schöner und reicher.

Vielleicht bin ich auch in der falschen Bubble und in anderen Kreisen geht es ganz anders zu – bei Beobachtungen in Social Media sind die blinden Flecken der Beobachter ein grundsätzliches Problem. Ich habe auch keine Lösung, wie man es anders machen könnte: Ein Netzwerk des alltäglichen Scheiterns wird vermutlich auch schnell eintönig und langweilig. Und vielleicht feiert man sich auch gerne mal öffentlich, weil man sich an dieser Sichtbarkeit auch für eine gewisse Zeit festhalten kann.

Ich nutze LinkedIn inzwischen wie Instagram: Ich scrolle schnell durch, verteile an alle Bekannten wahllos und ungelesen Herzchen, weil ich weiß, dass sie sich darüber genauso freuen wie ich und bin dann überrascht, wenn ich an einem „thumbstopper“ tatsächlich mal hängenbleiben, weil dort mal etwas anderes anders erzählt wird.

Lasst uns einander überraschen – so bleibt LinkedIn lesenswert!

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