Schlagwort: Social Media

  • Self fulfilling Verschwörungstheorie vom toten Internet

    Self fulfilling Verschwörungstheorie vom toten Internet

    Die „Dead Internet Theory“ ist eine Verschwörungstheorie. Da ist sich das Internet an vielen Stellen einig. Aber, wenn man sich die aktuellen Entwicklungen anschaut ist, ist sie nicht ganz so abwegig wie die Existenz Bielefelds.

    „Die Dead Internet Theory besteht aus zwei Behauptungen. Zum einen behauptet die Theorie, das Internet sei ab 2016 oder 2017 „tot“. Damit ist gemeint, dass hauptsächlich Bots interagieren würden und die menschliche Interaktion nur noch einen Bruchteil ausmache. Zum anderen geht damit meistens die Annahme einher, dass eine geheime Gruppe (oder eine künstliche Intelligenz selbst) das Internet nutze, um Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung via Desinformation und Fake News zu nehmen.“

    So weit die ⏩Wikipedia – total irre oder doch inzwischen nicht mehr so gänzlich durchgeknallt? Wenn der reichste Mensch der Welt mit seiner eigenen ⏩Privat-KI eine Online-Enzyklopädie erstellen lässt, die die Welt nach seinen Vorstellungen erklärt, dann sind Teile der „Verschwörung“ bereits Realität. Wenn der Reddit-Mitbegründer ⏩Alexis Ohanian in der Youtube Tech-Show TBPN davon spricht oder der News-Influencer Fabian Grischkat auf dem Kommunikationskongress 2025 in Berlin in einem Vortrag unter dem Titel „Das Geschäft mit Fake News“ von der Zunahme des von Bots generierten Datenverkehrs spricht, scheint das Ganze nicht vollständig an den Haaren herbeigezogen zu sein.

    Dass das Volumen des Bot generierten Datenverkehrs steigt, ist statistisch messbar:

    von ⏩https://de.statista.com/infografik/27498/anteil-des-durch-bots-verursachten-webtraffics/

    Zählen wir die schädlichen und unschädlichen Bot zusammen (denn die Verschwörungstheorie geht von Bot generierten Datenverkehr ohne Vorzeichen aus), so betrug der Anteil in 2019 37,2 Prozent und in 2023 bereits 49,6 Prozent. Also fast die Hälfte – wenn auch nicht die Mehrheit, also ganz knapp noch nicht die Mehrheit. Aber vielleicht steckt ja auch schon bereits Verschwörung dahinter, dass die Zahlen nicht weiter erhoben wurden, kurz bevor der Anteil kippte.

    Ich musste an das Buch „Das Digitale Debakel“ von Andrew Keen aus 2015 denken, dass ich erst neulich geschafft habe zu lesen. Da stand bereits vor zehn Jahren auf dem Buchdeckel: „Warum das Internet gescheitert ist – und wie wir es retten können“. Vermutlich nicht prophetisch, sondern das Ergebnis guter Beobachtung und vorausschauender Bewertung. Im Kern geht es um die kapitalistische Vermachtung von virtuellen Räumen. Algorithmen sorgen dafür, dass zum Beispiel nur ein Prozent der Content-Creator Sichtbarkeit und ggf. auch mikroskopische Gewinnanteile: „Die Spielregeln der New Economy sind daher dieselben wie in der Old Economy – nur mit Aufputschmitteln. (S. 62) Es verschwindet die Mitte, die durchschnittlichen Nutzerinnen und Nutzer, die sich in der Unsichtbarkeit der digitalen Weiten auflösen.

    Das sind nicht direkt Todesvisionen, aber durchaus sich abschwächende Vitalzeichen. Tatsächlich sucht der Mensch weiterhin den anderen Menschen – biologistisch bleiben wir Herdentiere. Uns missfällt daher die Vorstellung, dass wir im Netz nur noch Bots kommunizieren. Je weniger Menschen digital aktiv sind, desto massiver muss der Bot-Einsatz werden, um die letzten Überlebenden aufzuspüren und zum Handeln zu bewegen. Denn es ist eher unwahrscheinlich, dass künftig Bot bei anderen Bot einkaufen gehen werden – und wenn der Geldstrom stillsteht, ist auch das Internet tot.

  • Lieber Käsekuchen als künstlich

    Lieber Käsekuchen als künstlich

    KI macht uns dümmer … – vielleicht wiederholt sich (Internet-) Geschichte nicht zwangsläufig, aber gewisse Parallelen mit der Frühzeit im WorldWideWeb gibt es schon: Es war immer schon immer schwierig den Menschen zu vermitteln, dass Google nicht besten Anwalt der Stadt findet, sondern nur den besten, der auch eine Website hat. Und Vergleichsportale verlinken nicht den günstigsten Stromanbieter oder die preiswerteste Versicherung, sondern nur den günstigsten Stromanbieter und die preiswerteste Versicherung, die bereit sind, Provision an den Vergleichsportalbetreiber abdrücken.

    Den besten Käsekuchen meiner Stadt gibt es in einer kleinen Bäckerei ohne Website. Wenn ich eine Suchmaschine nach den besten Käsekuchen in der der Stadt frage, lande ich nur bei McCafé oder Starbucks.

    Ähnliche Tendenzen zeichnen sich bei der intensiven Nutzung von KI-gestützten Suchen ab: Die KI hat im Internet mit hochwertigen Inhalten trainiert und gibt die Infos (meist) ohne Quellennennung weiter. Der Traffic auf den redaktionellen Seite lässt nach, so dass deren Pflege und Betrieb (um Nutzerinnen und Nutzer dort hinzuziehen und die Reichweite für Werbung zu verkaufen) kein Geschäftsmodell mehr ist. ⏩ Das passiert gerade bei verschiedenen redaktionellen Angeboten im Web.

    Also wird man die KI nicht mehr damit trainieren lassen, was bedeuten wird, dass ihre Ergebnisse auf immer dünneren und wackligeren Beinen stehen wird. Was die meisten Nutzerinnen und Nutzer nicht mitbekommen werden – oder es ihnen auch egal ist.

    Sei schlauer: Finde den besten Käsekuchen der Stadt auch ohne Internet und KI und halte es mit dem ollen Kant: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

    Und lass „KI“ demnächst für „Käsekuchen Intelligenz“ stehen 🙂

  • Menschen auf X: Völlig losgelöst …

    Menschen auf X: Völlig losgelöst …

    Der neuerliche Anschlag in Mannheim am Rosenmontag ist ein schweres Thema, das die meisten von uns bedrückt. Das digitale Gaffertum auf Social Media war unerträglich – und Scham- und Anstandsgrenzen verschieben sich bei einigen scheinbar recht schnell.

    Dazu gehört für mich auch die sofortige politische Instrumentalisierung: Es war Vielen direkt klar, dass es wieder einer dieser islamistischen Terrorakte war. Als gegen 16 Uhr durchsickerte, der mutmaßliche Straftäter sei Deutscher, kamen sofort Zweifel auf: Es sei wenn überhaupt nur ein „Passdeutscher“ – also eine eingebürgerte Person – und kein „Biodeutscher“. Eine Trennung, die unser Rechtssystem nicht kennt.

    Auf X liest man ja häufiger, dass Bürgerinnen und Bürger von den Medien belogen werden. Und ich war neugierig, wie man das in diesem Fall bewerten würde. Ich habe auf X gegen 17 Uhr mit dem Hashtag #Mannheim eine kleine Umfrage gestartet, ob man der Meinung sei, dass die Medien in diesem Fall lügen. Diese ließ ich bis 23 Uhr online, weil zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit der Posts auf die Angaben der Polizei und Staatsanwaltschaft verwiesen.

    Gut 1000 Nutzerinnen und Nutzer hatten den Post mit der Frage bis dahin gesehen, jede zehnte Person eine beiden Antwortoptionen gewählt. Der Trend reicht mir und steht stellvertretend dafür, wie sich die X-Blase von der Medien-Realität entkoppelt hat. Knapp zwei Drittel der Antwortenden sagt, dass die Medien hier bzgl. der Nationalität des Attentäters lügen. Dem verbleibenden Drittel ist es egal.

    Methodisch ist das weder repräsentativ noch sauber befragt – aber zum Erkennen der Tendenz sollte es reichen.

    Mir ist schleierhaft, wie man Menschen, die sich aus der gesellschaftlichen Realität ausgeklinkt haben, wieder „erden“ könnte. Ich weiß, dass viele sagen: „Das ist X. Da muss man raus …“ – aber damit lassen wir es in dieser Güllegrube nur unkontrolliert gären und können uns dann nur wundern, wenn uns bei der nächsten Explosion die Sch… um die Ohren fliegt …

    Ich lass das Ergebnis hier mal so stehen für euch:

  • Instagram, wer bin ich?

    Instagram, wer bin ich?

    Eigentlich kamen wir bei Mastodon eher zufällig auf den Aspekt der „Konstruktion von Wirklichkeit“ in digitalen Plattformen. Die Datenkrake ⏩ Meta dockt mit der Twitter-Alternative Threads am Fediverse an, was zu der Diskussion führte, in welchen Maße nun die Kommerzialisierung ihren Einzug finden wird.

    Meta wird Threads mit Optionen einer möglichen Refinanzierung verbinden – also wird es um Werbung gehen und damit auch um Reichweitenmessung. Damit kommen die Bewohnerinnen und Bewohner des Fediverse vermutlich nur in Berührung, wenn sie mit Beiträgen oder Personen aus der Thread-Instanz interagieren. Also werden sicher nur Anteile unserer Aktivitäten, gemessen, gewogen und gezählt.

    Damit waren wir schnell bei der Grundsatz-Diskussion: Die meisten Fediverse-Nutzerinnen und -Nutzer bevorzugen, dass ihre Daten nicht vermarktet werden. Und ich persönlich finde es auch gut, dass es noch selbstbestimmte digitale Orte gibt.

    Für mich persönlich ist aber auch klar, dass meine Selbstdarstellung in Social Media immer nur meine Konstruktion meiner subjektiven Wirklichkeit ist, also nicht unbedingt die Realität (falls es eines solche überhaupt geben sollte). Ich zeige dort nicht mein Leben, sondern inszeniere ein digitales Leben (nicht nach Drehbuch, sondern nach Gusto).

    Mir ist das klar, aber Menschen, die mit meinem digitalen Alter Ego interagieren, rekonstruieren sich daraus eine andere Wirklichkeit von meiner Person. Und damit werden diese Re-Konstruktionen für sie real: Dann weiß nur noch ich für mich alleine, was ich wann wo wie und warum von mir zu teilen bereit war, die Mehrheit aller anderen Personen wird ein ganz anderes Bild von mir haben. Damit wird mein digitaler Klon realer, als ich es werden könnte. Mir ist klar geworden, dass die konstruierte Person meiner Selbst, von der ich glaube, sie vermarkten zu können, weil sie nicht wirklich ich ist, für alle anderen zu mir wird.

    Was wäre eine Alternative? Sich vollends ungefiltert digital zu repräsentieren, um über Authentizität die Kernperson wahren zu können? Ich weiß nicht: Dann schaue ich doch lieber bei Instagram nach, wer ich gerade eigentlich bin …

    Ergänzung:
    Als technisch nicht sonderlich affiner Mensch, habe ich die Thematik arg verkürzt. Selbstverständlich entstehen im Digitalen immer zähl- und messbare Daten – auch im Fediverse (bei einigen dortigen Plattformen mehr als bei anderen). Es geht letztendlich um die Ablehnung einer systematischen Auswertung zu Zwecken der Kommerzialisierung.

  • LinkedIn – Schlaraffenland der Berufstätigen

    LinkedIn – Schlaraffenland der Berufstätigen

    „Da hört ich Fische miteinander Lärm anfangen, daß es in den Himmel hinaufscholl, und ein süßer Honig floß wie Wasser voll einem tiefen Tal auf einen hohen Berg; das waren seltsame Geschichten.“ – so die ⏩ Gebrüder Grimm in ihrer Version des „Schlaraffenland“. Bereits die ⏩ Bibel spricht an 26 Stellen des Alten Testaments von einem „Land, darin Milch und Honig fließt“ (womit aber Israel gemeint ist).

    Auf jeden Fall plagt einem im Märchen oder im gelobten Land nicht eine Sorge, alles ist eitel Sonnenschein und das Leben ist schön – ganz so wie bei LinkedIn: Niemand findet seine Vorgesetzten noch sein Team kacke, Leistungen, Produkte und Dienstleistungen flutschen wie von selbst, die Arbeitsbedingungen übertreffen jegliche Vorstellungen und alle betriebliche Tätigkeit ist nachhaltig und im Einklang mit Natur, Mensch und Gesellschaft.

    Ich habe keine Ahnung, wo ihr arbeitet, aber ich würde gerne bei euch mitmachen! Zugegeben: Bei meinem Job ist natürlich auch nicht alles schlecht – aber manches könnte noch besser oder anders gemacht werden und wir arbeiten auch daran, mal schneller, mal langsamer, aber „stets bemüht“, während alle anderen scheinbar im Wellness-Bereich der Business-Welt sitzen und als Partypeople der Produktivität täglich die Welt verändern.

    Es gibt kein Burnout, keine inneren Kündigungen und kein Mobbing – schmutzige Wäsche wird hinter verschlossenen Türen gewaschen. Und mal ehrlich: Wer will schon lesen, was er oder sie täglich selbst erlebt? Ein bisschen Business-Eskapismus in die perfekte Illusion ist da schon angenehmer. Anderseits: Mich langweiligen das ewige Gruppenkuscheln von Teams, die sich bedingungslos lieben, die Lobgesänge der Führungskräfte auf die Belegschaft, bevor sie Filialen schließen und Produktionsstätten dicht machen und die selbstherrlichen Hinweise, man irgendetwas für sich gelernt, als man den Umgang indigener Bergvölker mit Bienen beobachtet oder sich mit der Konstruktion von Lehmhütten in Kenia befasst habe.

    LinkedIn in ist so ein bisschen das Schlagerfest der guten Laune bei Social Media. Ich versuche, meine Kindern zu erklären, dass Social Media nichts mit dem realen Leben zu tun hat – da machen Business-Netzwerke keine Ausnahme. Im Nachrichtengeschäft gilt „bad news is good news“, bei LinkedIn gilt „only better news is good news“. Darum sind andere immer bunter, erfolgreicher, schöner und reicher.

    Vielleicht bin ich auch in der falschen Bubble und in anderen Kreisen geht es ganz anders zu – bei Beobachtungen in Social Media sind die blinden Flecken der Beobachter ein grundsätzliches Problem. Ich habe auch keine Lösung, wie man es anders machen könnte: Ein Netzwerk des alltäglichen Scheiterns wird vermutlich auch schnell eintönig und langweilig. Und vielleicht feiert man sich auch gerne mal öffentlich, weil man sich an dieser Sichtbarkeit auch für eine gewisse Zeit festhalten kann.

    Ich nutze LinkedIn inzwischen wie Instagram: Ich scrolle schnell durch, verteile an alle Bekannten wahllos und ungelesen Herzchen, weil ich weiß, dass sie sich darüber genauso freuen wie ich und bin dann überrascht, wenn ich an einem „thumbstopper“ tatsächlich mal hängenbleiben, weil dort mal etwas anderes anders erzählt wird.

    Lasst uns einander überraschen – so bleibt LinkedIn lesenswert!

  • Pseudo-Transparenz polarisiert

    Pseudo-Transparenz polarisiert

    Ich frage mich schon seit längerem, was aus dem Internet und insbesondere Social Media geworden ist. Dünnhäutige „Allerwelts“-Expert:innen keifen sich aufgepeitscht an, jede:r stellt alles in Frage und zeigt mit dem Finger auf die anderen, die die Dummen sind. Etliche empfinden die Medien als ‚gleichgeschaltet‘ und es wird nach ‚alternativen Medien‘ Ausschau gehalten. Was ist hier passiert? Früher sind wir doch auch nicht alle direkt aneinander geraten, wenn außergewöhnliche Ereignisse unsere kleine, alltägliche Lebenswelt erschüttert haben.

    „Der Postillion“ bringt es mit seinen satirischen Beitrag über ⏩ „Tschernobyl-Leugner“ auf den Punkt:

    Was wusste man damals? Nur, das was über die Medien, die Regierung und die Verwaltung mitgeteilt wurde. Man guckte maximal, ob Regenwolken aus dem Osten kamen und verzichtete auf das Pilzesammeln im Wald. Was konnte man selber recherchieren? Was konnte man machen? Was konnte man zur öffentlichen Diskussion beitragen? Nichts.

    War das gut? Nicht unbedingt. Hat es uns geschadet? Nicht unbedingt.

    25 Jahre später hatten wir die nächste Nuklear-Katastrophe – diesmal in Japan, diesmal mit dem Internet. Diesmal lassen wir uns nichts mehr vormachen – besonders in Deutschland nicht. Fukushima ist zu Fuß von Deutschland etwas über 12.000 km entfernt, nach Tschernobyl sind es keine 1.500 km. Aber diesmal konnten wir was tun: Wir hatten ja nun das Internet und auf einmal ist Japan näher als die Ukraine. Social Media brummt, ⏩ Geigerzähler sind deutschlandweit ausverkauft und japanische Produkte bleiben in Supermärkten liegen. Behauptungen lösten Beweise ab, Mutmaßungen und Meinungen machten die Runde.

    Für mich war es ein Stück weit der Punkt, an dem die sozialen Medien ihre Unschuld verloren haben: Hass, Häme und Halbwissen wurden nun Alltag. Schließlich kann sich jeder seine eigene Meinung bilden und es gab keinen Berg mehr, hinter dem man diese halten müsste. Jeder sucht und findet im Netz die Zahlen, Aussagen und Zitate, die zu seiner jeweiligen Weltsicht passen. Wer das nicht so sieht, der will es nicht sehen. Alles ist für die Kritik offen, denn Lösungen muss ich nicht präsentieren.

    Es ist inzwischen nur noch ein Glaubenskrieg: Entweder man glaubt etwas oder nicht und dann kämpft man dafür oder dagegen – mit allen Mitteln, die einem zur Verfügung stehen. Wer nicht ‚mitglaubt‘, ist ein Verräter, muss niedergeschriehen und als Idiot abgestempelt werden. Denn die Wahrheit ist doch so klar und offensichtlich und doch nur einen Mausklick entfernt. Wir schauen alle durch trübes Milchglas auf die Welt und glauben doch, den einzig richtigen Weg sehen zu können.

  • Pressearbeit vs. Social Media

    Pressearbeit vs. Social Media

    Dort, wo Social Media nicht dem Praktikanten überlassen wird, soll dann die Pressestelle noch mal über die Tweets, Posts und Instas gucken, bevor sie online gehen – könnte ja auch Sinn machen, denn es sind kleine Nachrichten, die extern veröffentlicht werden.

    Oftmals aber macht genau das keinen Sinn, denn Social Media Posts lassen sich nicht nach den Qualitätskriterien guter Pressearbeit bewerten. Ging man in Frühzeiten deutscher PR-Forschung davon aus, dass gute PR- bzw. Pressearbeit den Journalismus steuern könnte, so hat sich diese Annahme in Richtung gegenseitiger Beeinflussung der Systeme auf Grundlage der Kenntnisse der jeweiligen Arbeitsmethoden verschoben. Häufig sind es die klassischen ⏩ Nachrichtenfaktoren, die eine Pressemitteilung für einen Journalisten interessant machen: Darunter solche wie (regionale) Nähe, handelnde Personen, Schadenshöhe und Negativismus. Wenn ich das bedienen kann und weiß wann Redaktionsschluss ist, damit die Meldung noch ins Blatt kann, dann habe ich ⏩ Intereffikation anstatt Determination.

    Also haben sich für gute Pressearbeit ein paar Regeln herausgebildet. Diese sorgen dafür, dass sich auf gewissen Dimensionen bestimmte Positionen manifestiert haben. Soll heißen: Wenn sich die Presseabteilung bezüglich der Bewertung orientieren muss, wird sie eher auf Fakten setzen. Bei Konsistenz wird sie sich an einer nachhaltigen, in sich schlüssigen Berichterstattung orientieren und bei der Betroffenheit eher auf abstrakte Gruppe als auf konkrete Beispiele setzen. Der innere Kompass wird sich auf verschiedenen Dimensionen immer in vergleichbaren Tendenzen ausrichten: Eher vom Absender ausgehen, möglichst aktuell sein, Fakten bevorzugen, überprüfbar, abstrakt und konsistent informieren.

    Social Media Kanäle sind keinen Nachrichtenticker – die Regeln dort sind anders. Die Kriterien des Absenders interessieren nicht, denn in Social Media steht der User als Empfänger im Fokus: Er beziehungsweise sie entscheidet nach eigenen Orientierungspunkten, ob die Meldung für sie oder ihn interessant ist. Zum Beispiel spielt die Aktualität keine so große Rolle: Wenn die Meldung, in dem Augenblick, in dem ich sie wahrnehme, für mich als Empfänger relevant ist, dann ist mir egal, ob sie topp aktuell ist. Dabei orientiere ich mich an dem Moment und scrolle nicht die Timeline runter, um zu überprüfen, ob die Meldung im Einklang mit allen bisherigen Meldungen zu diesem Thema ist. Ich kann auch nicht überprüfen, ob die Fakten stimmen – ich bin ja kein Nachrichten-Journalist -, sondern mir reicht es, dass die Info schlüssig und glaubhaft ist. Ich begrüße auch, dass sie nicht neutral informiert, sondern jemand sie bereits für bewertend kommentiert hat, was mir die Einordnung erleichtert. Und diese Bewertung kann auch gerne eine Emotion beinhalten – menschliche Reaktionen verbinden eher als professionelle Distanz des Beobachters und Berichterstatters.

    Auch abstrakt formulierte Informationen sprechen mich in Social Media nicht an: Was soll das heißen, wenn „vermutlich 12% Prozent der Bevölkerung“ von irgendetwas betroffen sein könnte? Was bedeutet das für mich? Es gibt schon einen Grund, warum Einzelschicksale uns in Social Media bewegen, obwohl daraus keine Verallgemeinerungen möglich sind.

    Also auf der Social Media Seite zählen der Empfänger, die Relevanz, der Moment, ein möglichst konkreter Bezug, sowie die Vorstellbarkeit und eine kommentiere emotionale Meinung. Deswegen sind Social Media Posts keine kleinen Pressemitteilungen.

  • Schweigespirale 2.0

    Schweigespirale 2.0

    Das Thema der schweigenden Mehrheit taucht immer häufiger auch im Zusammenhang mit Social Media auf. Medien sind grundsätzlich keine basisdemokratische Veranstaltung, in der alles stets ausgewogen sein muss, aber es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass einige besonders umtriebige „Stimmungsmacher“ die Bühnen von Twitter, Facebook & Co. okkupieren und dort lauter trommeln als andere.

    Das könnte tatsächlich die von Elisabeth Noelle-Neumann in den 1970er Jahren als eine Theorie der öffentlichen Meinungsbildung formulierte ⏩ „Schweigespirale“ auslösen: Im Kern besagt diese, dass jeder Mensch das herrschende Meinungsklima antizipiert und „widerspricht die eigene Meinung der als vorherrschend betrachteten Meinung, so gibt es Hemmungen, sie zu äußern, und zwar umso stärker, je ausgeprägter der Gegensatz wird. Daher der Begriff der Spirale.“ – so weit Wikipedia.

    Die Studien bezogen sich auf den Bundestagswahlkampf und die vermeintlich einseitige Berichterstattung der Medien, die das tatsächlich in der Gesellschaft vorherrschende Meinungsbild verzerrt hätten: Der Durchschnittsbürger verwechsele die veröffentlichte (Minder-)Meinung mit der herrschenden Mehrheitsmeinung und halte daher lieber die Klappe in politischen Diskussionen.

    Die Theorie hat einige Lücken und eine teilweise wackelige empirische Basis, fasziniert aber nach wie vor – sicher auch wegen ihrer bestechenden Einfachheit komplexe Sachverhalte zu erklären.

    Das Schweigen der Vernunft und die Dominanz extremer Meinungen wird nun auch in sozialen Netzwerken auffällig: „Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand seine Meinung veröffentlicht, obwohl sein Online-Freundeskreis eine andere vertritt, hielten die Forscher für halb so hoch als bei denjenigen, die sich in einem Konsens-Umfeld wähnen,“ schreibt Julia Bähr in der ⏩ FAZ mit einem Verweis auf eine Studie des ⏩ PEW Instituts.

    Diese stellte unter anderem auch fest, dass drei Faktoren Einfluss darauf haben, ob jemand seine Meinung in Social Media teilt: Die Selbsteinschätzung ein Experte für das Thema zu sein, die Intensität der eigenen Meinung sowie der Grad des persönlichen Interesses. Anders formuliert es die ebenfalls die FAZ: „Wer im richtigen Leben schweigt, der schweigt auch online.“

    Je stärker ein Thema polarisiert, desto eher äußert man sich öffentlich nicht dazu. Ich glaube aber, dass die Mechanismen beziehungsweise Ursachen online ein bisschen anders als bei den Annahmen der klassischen Schweigespirale liegen: Man schweigt nicht, weil man vermutet der Mindermeinung anzugehören, sondern man hat einfach keine Lust sich online anpöbeln zu lassen.

    Twitter war früher mal ein freundliche Ort, an dem man sich konstruktiv und tolerant ausgetauscht hat. Inzwischen wird man angepöbelt, wenn man etwas anders sieht als andere – völlig egal, ob die anderen die Mehrheit, Minderheit oder auch nur Einzelfälle sind.

    Jedes Thema kann zum Meinungs-Minenfeld werden: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Es ist erschreckend mit welcher Vehemenz manche bereit sind verbal auf einander einzuschlagen.

    Wer sich über einzelne Fahrradfahrer aufregt, wird mit Sicherheit von engagierten Radlern angegriffen, weil Radfahrer grundsätzlich das schwächste Glied in der Opferkette des Straßenverkehrs sind. Männer dürfen sich nicht zu Frauenthemen äußern und Frauen nicht zu Fußball und für den Klimaschutz ist jedes Mittel vielleicht nicht legal, aber legitim. Wer anderer Meinung ist, liegt nach Meinung Einzelner völlig falsch damit, hat nichts verstanden und weiß gar wie das ist…

    Inzwischen schweigt man lieber auf Social Media als sich in Weltanschauungs-Diskussionen verwickeln zu lassen. Ich habe da mal auf Twitter nachgefragt – aber bei der bescheidenen Anzahl von Rückmeldungen kann man nicht einmal von einem Trend sprechen:

    Aber die Forschung sollte das gerne mal aufnehmen und vertiefend beleuchten, denn ich glaube ja die Schweigespirale ist online eher eine Shitstorm-Spirale und da duckt man sich lieber, bevor man getroffen wird.

  • Twitter war mal ein freundlicher Ort

    Twitter war mal ein freundlicher Ort

    Twitter war immer „mein“ Kanal unter den ’sozialen Netzwerken‘ – nun muss ich feststellen, dass es dort leider immer asozialer zugeht. Warum das so ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist mit der wachsenden Anzahl von Nutzern auch ein größerer Anteil des Bodensatzes unserer Gesellschaft mit hineingespült wurden: Damit meine ich Menschen ohne Erziehung, Anstand und Benehmen – keine Merkmale wie Einkommen, Ethnie, Geschlecht oder politische Gesinnung.

    In einem Dialog-Kanal sollte man mit einander reden können – auch, wenn man anderer Meinung ist. Miteinander reden beinhaltet auch Zuhören und Aushalten, dass andere über Dinge anderes denken. Meinungen sollten mit Argumenten untermauerbar sein und diese können in einer Diskussion gerne angebracht werden. Das machen Menschen so, wenn sie miteinander reden.

    Bei Twitter fällt mir zunehmender Starrsinn gepaart mit Intoleranz auf: „Wenn Du dass nicht so wie ich siehst, dann bist Du kacke und verstehst gar nichts…“ – in der digitalen Welt gibt es immer weniger Grau, sondern scheinbar nur noch Schwarz oder Weiß.

    Wer sich keine blutige Nase holen will, der bleibt am besten in seiner Ecke und zieht sich seine Filterblase über den Kopf, denn dort habe ich immer recht und alle denken das selbe wie ich und ich muss mich mit der Welt nicht mehr auseinandersetzen.

    Ich finde das eher traurig. Jegliche Gruppe, die tatsächlich oder nur selbstempfunden zufällig oder auch systematisch benachteiligt ist, ist auf Krawall gebürstet und blökt jeden an, der es wagt, etwas zu ihrem Thema zu sagen, zu fragen oder anzumerken: Alleinerziehende Mütter, Fahrradfahrer, Umweltaktivisten, Landbewohner und viele andere – wer es wagt, zu etwas den Mund auf zu machen, der weiß ja nicht, wie es ist und soll gefälligst die Klappe halten und sich verpissen.

    Noelle-Neumanns „Schweigespirale 2.0“ lässt grüßen: Bei der vermeintlich herrschenden (ver-)öffentlichten Meinung, traue ich mich nicht mehr, meinen Senf dazuzugeben. Twitter mutiert zur Linkschleuder der Eitelkeiten, das Vögelchen hat sich den Schnabel gebrochen und ist dabei abzustürzen.

    Früher war Twitter ein freundlicher Ort. Man hat sich unterhalten und den anderen sein lassen, was er wollte, so lange er freundlich und höflich war.

  • Social Media Highlights: Opel hat den Längeren

    Social Media Highlights: Opel hat den Längeren

    Ich sammele für Schulungen und Vorträge immer gerne gute Beispiele verstandener Social Media Kommunikation. Dabei überlegen wir auch häufig, wie sich eine gute Idee, in den entsprechenden Kanälen „weiterdrehen“ ließe – also: Wie kann man einen oben draufsetzen ohne albern zu kopieren.

    Heute haben die Kollegen von @OpelDE dem schwäbischen Wettbewerber @DAIMLER gezeigt, wie es geht. Anlässlich des Pariser Autosalons präsentierte der Stuttgarter Autobauer seine neue Elektromobilitätsmarke. Der Vorstandsvorsitzende Zetsche lässt dafür in einem animierten GIF Blitze zwischen seinen Handflächen zucken. Der Text dazu sagt, dass er einen Abschluss als Elektroingenieur habe:

    Ein Tag später kommt die Retourkutsche von Opel in Form des verbesserten Amperas, der nun 500 km Reichweite habe. Der Vorstandsvorsitzen Karl Thomas Neumann stellt sich in vergleichbare Zetsche Pose, lässt die Blitze krachen, erhöht mit ausgestreckten Armen mal eben die Reichweite deutlich und grinst dazu schelmisch. Der Kommentar: „College is over!“

    Das gefällt! So macht Social Media Spaß! Glückwunsch nach Rüsselsheim: Heute liegt ihr nach Punkten vorne und habt hoffentlich auch bei diesem Tweet die größere Reichweite.

    Dieser Beitrag erschien zuerst unter https://anderesachen.blogspot.com/2016/09/social-media-highlights-opel-hat-den.html