Am Wochenende bin ich völlig ungeplant und unbeabsichtigt bei Twitter in eine Diskussion geraten. Ich fand das sehr postiv, denn ich habe wieder mal gelernt, dass man dort auch mit 140 Zeichen konstruktiv streiten kann und danke allen Beteiligten für das Vergnügen des Austausches.

Da aber 140 Zeichen meistens auch zu wenig sind, folgt hier die Langfassung. Wie immer hat alles ganz harmlos angefangen. Jemand hatte mir das Nachhaltigskeits-„Blog“ der WiWo zur Lektüre ans Herz gelegt. Es ist recht nett und professionell gemacht und ich stellte mir öffentlich folgene die Frage

Das Team der GreenWiWo las mit und fragte nach. Ich versuchte, meine Ansicht zu verdeutlichen: „Wenn professionelle Journalisten in verlagseigenen Medien ‚bloggen‘, scheint mir das weit von ursprünglichen Idee entfernt“, schrieb ich begab mich mit der Äußerung der „ursprünglichen Idee“ scheinbar auf dünneres Eis.

Sebastian Mathes von der WiWo spitzte den kleinen Schlagabtausch zu

Nun waren auch Jochen Mai, Daniel Rettig und Ole Elfenkämper dabei und ich musste mich zusehends präzisieren, denn eigentlich hatte ich ja nichts Böses im Sinn.

An der Uni hatte ich gelernt, dass Definitionen über Ein- und Ausgrenzungen von Phänomenen die halbe Miete des wissenschaftlichen Arbeits sei – ein Credo, dass ich auch in diesem Blog an vielen Stellen verfolge…

Zunächst gilt es zwischen Technik (hier: Trägermedium bzw. Software), Format und Funktion zu trennen. Wenn man das macht, kann man schneller dahinter kommen, was ich meinte. Technisch bedienen sich viele Internet-Angebote Blog ähnlicher Lösungen oder Blog-Derivate. Beiträge können chronologisch veröffentlicht und von den Nutzern kommentiert werden. Die Technik bestimmt bekanntermaßen nicht die Formate und deren Funktionien, denn ansonsten wären das Dschungelcamp und die Tagethemen ein und dieselbe Soße, weil beide im TV laufen. Damit steht zum Ersten fest, dass das, was aussieht wie ein Blog und technisch als Blog umgesetzt wurde, nicht unbedingt ein Blog sein muss.

Nehmen wir noch mal die Wissenschaft zur Hilfe: Ansgar Zerfaß definiert das Blog-Format 2005 als „chronologische und expressive Kommunikation“ (S. 32ff), die dafür sorgt, dass Blogs „als besonders authentische und interaktive Alternative zu den traditionellen Internetportalen und den zunehmend standardisierten Massenmedien wahrgenommen werden“ (ebd. S. 20).

Hier werden die Felder Format und Funktion angesprochen. Das (Text-) Format eines Blogs ist persönlich und subjektiv und damit im weistesten Sinne dem journalistischen Format des Kommentars vergleichbar. Diese Art der textlichen Aufbereitung steht allen in allen Kanälen offen – so gesehen können natürlich auch professionelle Journalisten „bloggen“. Dann sind journalistische Blogs eine gute Ergänzung eines redaktionellen Online-Angebotes. Blogs per se müssen nicht objektiv sein – dafür gibt es andere journalistische Formate wie die Nachricht und Bericht. Diese werden nicht durch die Möglichkeit sie Online-Ausgabe des Hamburger Nachrichten-Magazins vermutlich nicht sieht. Damit steht zum Zweiten fest, dass das, was sich liest wie ein Blog, vermutlich ein Blog ist.

Aber das, was ich bei dem Terminus der „ursprünglichen Idee“ im Sinne hatte, geht es um die Funktion von Blogs als vermeintlich laienorientierte Gegenöffentlichkeit zu den etablierten Medien, als Grassroot-Bewegung, die die Demokratisierung öffentlicher Kommunikation durch Egalisierung der Zugangswege ermöglicht. Einem gut gestalteten Blog ist nicht anzusehen, ob hier ein Schüler oder ein Professor, eine Nachbarschaftsvereinigung oder eine politische Partei sich am Diskurs beteiligt. Alles wirkt gleichwertig und alle begegnen sich auf Augenhöhe.

Nicht mehr ganz so egal geht es zu, wenn der Absender durch seine Ausbildung (zum Beispiel als professioneller Journalist) oder seine wirtschaftliche Unabhängigkeit (zum Beispiel als Verlag) in den Dialog als „Blogger“ einsteigt. Das hat mich bei Twitter in der Diskussion auch zu folgenden These hinreißen lassen:

Vor diesem Hintegrund wäre ein jounalistisches Online-Angebot, dass sich beim Blog-Format bedient, am ehesten ein „interatives Online-Magazin“.
Damit könnte die ganze Geschichte auch beendet sein – vor allem vor dem Hintergrund, dass sich „Green Wiwo“ selbst nie als Blog bezeichnet hat. In ihrem Twitter-Profil nennen sich „Nachrichtenportal der „Green Economy“:

Aber nach der Twitter-Diskussion am Wochenende wollen sie lieber ein „magazines Blog für die grüne Wirtschaft sein“:

Ich muss etwas falsch gemacht haben oder 140 Zeichen waren eben doch nicht genug, um auszudrücken, was ich eigentlich meinte.
Bis hierher waren es nun übrigens 4647 Zeichen.

Wer meint, dass nur Umsetzung und Inhalte zählen und nicht das Etikett, dass man dem Format verleiht und wer diese Begriffsdefinitionen für eher akademisch hält, dem sei gesagt: „Da hast Du recht!“

Dieser Beitrag erschien zuerst unter https://anderesachen.blogspot.com/2013/01/alles-eine-sache-der-definition.html

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