„My home is my castle“, sagt der Brite – gemeint sind dicke Mauern, die das Private von dem Öffentlichen als geschützter Rückzugsort abschirmen. Dieser findet auch im bundesdeutschen Grundgesetz als „Unverletzlichkeit der Wohnung“ (Art. 13 GG) seinen besonderen Schutz. Jeder kann nach seiner Facon hausen, wie er selig damit wird.

„Zuhause“ war immer die private Seite: Man ließ die Sorgen zuhaus, man ließ sich sagen, dies oder jenes könne man gerne zuhause machen, aber nicht hier im Restaurant oder die „Home“-Story offenbarte andere Seiten öffentlicher Personen.

Aus meiner Sicht kann das alles so bleiben. Wenn ich sage, dass die Frage, wie wir wohnen wollen, öffentlich wird, dann meine ich nicht das Umstülpen des Inneren nach außen und damit die öffentliche Demonstration des Privaten, sondern das Thema „Verantwortung“, das auch die Frage des Wohnens erreicht hat: Wohnen wir so, dass Wohnen auch für die Gemeinschaft und auch für die Gesellschaft in Summe noch möglich wird? Wohnen wir so, dass wir die begrenzten Ressourcen, die wir mit allen teilen müssen, verantwortlich einsetzen? Wohnen wir so, dass wir nachfolgenden Generationen die Chance auf angemessenes Wohnen nicht verbauen?

Damit sind wir mitten im öffentlichen Diskurs. Und wenn wir nicht nur Diskutieren, sondern auch Handeln wollen, haben unsere Entscheidungen im Sinne einer öffentlichen Verantwortung auch private Folgen: Muss das Grundstück bei knapper werdenden Bauland bis zum Horizont reichen, nur weil ich es mir leisten kann? Sind Einfamilienhäuser noch zeitgemäß, wo viele Familien inzwischen ein bezahlbares Zuhause suchen? Wie wandelbar und altersgerecht ist mein Wohnraum, wenn ich älter werde und mein Horizont näher rückt?

Die Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt beschäftigen mich zusehends. Ich habe das Gefühl, dass wir auf etwas zusteuern, was in niemandes Interesse liegen kann: Die ‚Prenzlbergisierung‘ der Wohnlandschaft, bestehend aus zu großen, überteuerten Stadtwohnungen, in denen Kollektive von Individualisten ihre Freiräume suchen. Alles drängt in die Stadtmitte, wo vor vierzig Jahren nur Arztpraxen und Anwaltskanzleien waren. Sagte man vormals das Sterben der Innenstädte voraus, veröden inzwischen die Vorstadtsiedlungen.

Wohnen bleibt immer weniger Privatangelegenheit, sondern wird öffentliches Thema. Und da Immobilien bekanntlich unbeweglich sind, müssen wir anfangen, dass Thema und anschließen uns zu bewegen.

Teil 2 lesen: ⏩ Wie viel Wohnraum brauche ich?

Teil 3 lesen: ⏩ Wie viel Platz stände mir zu?

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Kommentare

  1. Wow, ein vielschichtiges Thema.
    Hier kollidieren wollen, können, müssen, brauchen. Statussymbol mit Glück. Arbeit mit Bequemlichkeit. Ökologie mit Ökonomie. Ja, lass es uns (öffentlich) diskutieren – aber ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, ohne einen Roman zu schreiben.
    Können wir das irgendwie runterbrechen? Was ist deine Ansicht dazu?

    Das einzige, was ich bisher dazu geschrieben habe, ist eine dystopische Kurzgeschichte in der zwar der Klimawandel der Auslöser für eine „extreme Prenzlbergisierung “ ist – die aber auch aus anderen Gründen ähnlich eintreten könnte:
    http://blog.neunmalsechs.de/2016/05/13/449-tage-ohne-sonne/

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