Geschichte und Geschichten wiederholen sich – heißt es. Das gilt scheinbar auch für Diskussionen über Veränderungsprozesse. Ich weiß leider nicht mehr ganz genau, wie ich auf das kleine Büchlein „Die Programmierer – Eliten der Automation“ von Karl Bednarik von 1965 (in der Fischer Taschenbuch-Ausgabe von 1967) gestoßen bin. „Karl Josef Franz Bednarik war ein Wiener Maler und Schriftsteller mit sozialkritischem Engagement“, kann uns ⏩ Wikipedia berichten. Er lebte von 1915 bis 2001, war gelernter Buchdrucker und Elektroschweißer, der sich autodidaktisch zum Künstler weiterbildete. Nebenbei verfasste er gesellschaftskritische Schriften wie unter anderem einen utopischen Roman mit dem viel versprechenden Titel „Omega Fleischwolf“, den ich sicher auch noch mal lesen werde, wenn ich ihn in die Finger bekommen sollte.

Abgesehen davon, dass ich es unterhaltsam finde, ältere Bücher zu lesen, in denen Prognosen über (teilweise inzwischen bereits vergangene) Zukünfte erstellt werden, stieß ich bei Bednariks Programmierer-Buch, auf eine Diskussion, die wir heute führen und deren Argumenten wir teilweise direkt übernehmen könnte, wenn wir das Wort „Computer“ durch die Worte „künstliche Intelligenz“ ersetzen. Der Autor beobachtet, beschreibt und bewertet den Wandel der Verwaltungsberufe durch die Einführung elektronischer Datenverarbeitung vor gut 50 Jahren: „Nachdem die Maschine dem Menschen sehr viel Handarbeit abgenommen hat, ist sie nun auch dabei, ihm die Kopfarbeit zu enteignen, zumindest große Teile dessen, was bisher als Kopf- und Geistesarbeit angesehen wurde.“ (S. 9)

Parallelen zur Diskussion um KI liegen auf der Hand

Bednarik sieht nicht in erster Linie die Technik als Bedrohung der Bürovorsteher (mit Verweis auf Zemanek nennt er Großrechner ‚gigantische Vollidioten‘, die nur mit den Fingern rechnen könnten, davon aber Millionen hätten – vgl. S. 68), sondern deren Bediener: „Das sind die Programmierer, jene Spezialisten, die Arbeitsabläufe vordenken und festlegen, die mit Hilfe technischer Anlagen Planung, Ablauf und Vertrieb ganzer Industrieproduktionen bestimmen.“ (o. S. – Klappentext vor dem Schmutztitel). Ohne technische oder kaufmännische Kenntnisse analysieren und zerlegen sie alle Arbeitsabläufe und legen sie als Programmabfolge für die Datenverarbeitung fest. Damit steuern sie de facto den ganzen Betrieb ohne zum Management zu gehören, orientieren sich dabei an einer Idealform und entwerfen so „eine neue Organisationsform als abstraktes Modell“ (S. 73).

Die Grenzen der Automatisierung liegen darin, dass sich die Computer nicht selber erzeugen oder programmieren können und dass maschinelle Entscheidungen durch die Programmierung vorbestimmt seien (vgl. S. 20). Das kommt uns bei KI anders vor, obwohl auch hier im Kern nur Nullen und Einsen Abläufe bestimmen, aber die ‚gigantischen Vollidioten‘ inzwischen Milliarden Finger haben und die Programme eine Komplexität erreicht haben, die die Vorstellungskraft der meisten Menschen übersteigt. Letztendlich laufen auch hier nur Routinen nach vorgegebenen Schemata ab – auch oder gerade in der Logik der Kombinatorik mit anderen Datenbeständen. So programmiert sich eine KI selber nach vorgegebenen Programmabläufen.

Während Bednarik seine Erkenntnisse auf der Grundlage von Beobachtungen auf Basis der Einführung erster Großrechner mit Lochstreifen und Magnetbändern gewinnt, wissen wir nun – 50 Jahre später – wie Computer in alle Bereiche unseres Lebens vorgedrungen sind. In weiteren 50 Jahren werden wir auch wissen, in weit weit künstliche Intelligenz Alltag und Beruf verändert haben wird. Eine Prognose von damals wird dabei auch in der aktuellen Diskussion häufig gehört: „Wenn eine Verringerung des Büropersonals erfolgt, dann nur bei eintönigen und langweiligen Routinearbeiten.“ (S. 123 – rezit. Levin) Kommt einem irgendwie bekannt vor, oder?

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