Wenn man an Menschen denkt, die Angst vor dem Autofahren haben, kommt man nicht umhin ihnen in ihrer Sorgen eigentlich recht geben zu müssen: Wie bekloppt muss man eigentlich sein, dass man Auto fährt?

Autofahren ist zunächst nichts anderes als eine Wette darauf, dass ausreichend viele Verkehrsteilnehmer sich an die Regeln halten. Niemand ist in der Lage das Verkehrsgeschehen vollumfänglich zu überblicken. Man muss auf das wahrscheinliche Verhalten Wildfremder hoffen. Kein rational denkender Mensch würde dies tun. Erfahrene Projektleiter müssten an den Unwägbarkeiten des Straßenverkehrs verzweifeln und Kontrollfreaks wäre die Benutzung von Autos geradezu unmöglich.

Dass dennoch so viele Menschen Auto fahren, zeigt doch nur, wie unbekümmert sie sind oder wie wenig sie darüber nachgedacht haben. Oder dass sie einfach darauf angewiesen sind. Es zeugt von einem tiefen systemischen Vertrauen.

Aber ein Vertrauen worauf? Letztendlich doch nur ein Vertrauen darauf, dass es funktioniert und meistens doch noch gut gegangen ist. Denn jeder weiß, dass im Straßenverkehr nichts fließen würden, wenn sich alle exakt an die Regeln hielten. Das System funktioniert nur, weil sich nicht alle daranhalten. Diese Unschärfe ist kalkuliert, aber nicht kalkulierbar. Damit sind nicht unverantwortungsvolle Verkehrsrowdys gemeint, sondern das Fahren „bei Gelb“, der Hauch einer Geschwindigkeitsüberschreitung im fließenden Verkehr.

Es funktioniert also nur, weil unsere Steuerung „fuzzylogic“ ist. Es kann eben manchmal sinnvoll sein, auf seine Vorfahrt zu verzichten, damit der Transporter von der Kreuzung kommt und alle schneller weiterfahren können oder das Tempolimit nicht voll auszureizen.

Und nun kommt ein autonomes Fahrzeug dazu. Ich stelle es mir komplex genug vor, es mit den geltenden Verkehrsregeln zu füttern und zu programmieren. Damit es aber sinnvoll im Verkehr mitfließen kann, muss es nicht logisch oder „fuzzylogic“ agieren und reagieren. Der Verkehr ausschließlich autonomer Fahrzeuge käme vermutlich recht schnell zum Erliegen.

Beim Fraunhofer IAO fragt man sich, wie sich ein autonomes Fahrzeug mit einem Menschen verständigen könnte, zum Beispiel wenn dieser an einem Zebrastreifen steht, aber dem Auto signalisiert es müsse nicht anhalten und könne weiterfahren. Man spricht hier von Grauzonen des Regelwerks. Ich persönlich finde es spannend, wie das autonome Automobil antwortet. Denn wenn die Mensch-Maschine-Kommunikation verständigungsorientiert und erfolgreich sein soll, muss das Auto auch Antworten geben können, die der Mensch versteht. Ich bin mir nicht sicher, dass es wie Siri sprechen wird. Projektion und Licht sind hierbei interessante Ansätze – es müsste idealiter allgemeinverständlich sein.

Ich glaube, dass diese neuen Formen der Mensch-Maschine-Kommunikation einer der aktuellen Mega-Trends der Digitalisierung ist, wie es in meiner Liste der aktuellen Trends Anfang des Jahres als „Trend Nr. 5“ erläutert habe.

Ich werde mich weiterhin der Herausforderung Straßenverkehr stellen – auch wenn ich weiterhin denken werde, wie bekloppt muss ich sein, meine Gesundheit in die Hände von anderen zu legen. Total irrational. Sind doch nur Irre unterwegs – egal ob autonom oder nicht.

Dieser Beitrag erschien zuerst unter https://anderesachen.blogspot.com/2016/04/autofahren-ist-eigentlich-irrational.html

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