Ich habe aufgegeben! Zugegeben: Die Idee von Fairphone ist großartig, fasziniert und reißt mit: Man kann auch Smartphone nachhaltig, sozial und ethisch produzieren! Keine menschenunwürdigen Bedingungen beim Schürfen notwendiger Spezialminerale und Erze, keine Sklavenarbeit bei der Montage und transparente Lohnstrukturen – alles Dinge, von denen die großen Produzenten sagten, man müsse sie leider in Kauf nehmen und das ließe sich nicht ändern.
Darüber hinaus ist der modulare Aufbau eine tolle Idee: Geht es etwas kaputt oder sind andere Leistungsmerkmale gewünscht, können einzelne Komponenten ausgetauscht werden ohne gleich das ganze Gerät austauschen zu müssen.
Genutzt habe ich das nie. Das ist so, wie die Menschen, die in der Großstadt wohnen, Dir alle Theater und Museum aufzählen, die sich so einfacher besuchen könnten, ohne in den vergangenen fünf Jahren in einem der Häuser gewesen zu sein.
Und das alles noch per Crowdfunding finanziert. Eine wirklich tolle Geschichte, an der alles dran ist, was eine gute Geschichte braucht.
War es übrigens beim Cargolifter auch – ein landeflächigen unabhängiges Lufttransport-System, das umweltfreundlich und sicher war. Hat nur leider nicht funktioniert.
Community-Tipp: Lösch doch die Apps…
Das Fairphone 2 funktioniert – im Groben und Ganzen. Auch wenn die Benutzung einen gewissen Enthusiasmus erfordert. Es gibt immer wieder Bugs, die man einfach akzeptieren muss. Aktuell lässt sich das Fairphone 2 bei Laden nicht an- und generell gar nicht wieder ausschalten. Das nennt sich dann der „never-turn-off-bug“ und wird in der Online-Community dokumentiert.
Da muss man im Sinne einer Holschuld regelmäßig nachgucken, was mal wieder nicht funktioniert und warum. Dort sind auch alle höflich und hilfsbereit und ich glaube, es gibt kaum ein Produkt, bei dem der Support vorrangig durch die Kunden gewährleistet wird.
Schon früh stellte ich fest, dass die Akkuleistung eher enttäuschend war. Nach gut sechs Monaten musste ich das Smartphone bis zu dreimal täglich aufladen. Es schaffte dann drei bis vier Stunden bei durchschnittlicher Nutzung.
Hilfe kam auch hier aus der Community: Lösch doch einfach die Social Media Apps von dem Handy – das sind reine Stromfresser. Am besten wäre es, dass Phone ganz ohne Apps zu benutzen – das erhöhe die Akkulaufzeiten nachhaltig.
Das kann es aber in modernen Zeiten nicht sein. Ich weiß, dass man ein paar Einschränkungen in Kauf nehmen muss, wenn man Gutes erreichen will. Meine Eltern haben in den 1980er Jahre schrumpeliges Öko-Gemüse in abgedunkelten Kellerläden gekauft und damit dazu beitragen, dass es überhaupt erstmal einen Nachfragemarkt nach ökologisch nachhaltigen Produkten gibt. Damals zog man als Schüler auch noch einen kratzigen Norwegerpullover an, wenn das Schaf glücklich war und Freunde ihn gestrickt hatten.
Öko kann heute auch schick und funktional sein
Heute geht öko und nachhaltig auch in schick und funktional. Aber das sollte es dann auch sein: Ein Android-Handy, dass immer noch auf Android 7.01 läuft, während aktuelle Modelle mit Android 9 am Markt sind, ist nun leider nicht mehr zeitgemäß.
Mag sein, dass das Fairphone 3 mit dem großen crowdfunding Erfolg im Hintergrund alles auswetzt, wo man aktuell enttäuschen muss – aber ob ich dann wieder wechsele bleibt offen. Es ist halt immer ein gewisse Leidensbereitschaft notwendig, wenn man zu den ‚Firstmovern‘ gehören will – mag sein, dass ich mich damit wieder in Mainstream verabschiedet habe, aber es nicht immer schlimm, auch mal mit dem Strom zu schwimmen bzw. sich treiben zu lassen.
Nachhaltig ist das Fairphone auf jeden Fall in Bezug auf die Werthaltigkeit: Gebrauchte Geräte lassen sich zu hohen Preise weiterverkaufen. So gesehen musste ich für meinen Ausflug in die Welt der nachhaltigen mobilen Telefonie nicht noch extra draufzahlen.
Dieser Beitrag erschien zuerst unter https://anderesachen.blogspot.com/2019/02/uber-meinen-selbstversuch-nachhaltig-zu.html